Die Blockchain-Technologie fasziniert bereits seit einigen Jahren die Finanzbranche. Doch die Basistechnologie eignet sich auch für viele weitere Arten von Transaktionen. Auf besonderes Interesse stößt sie derzeit in der Energiebranche. Dort könnte sie die Energiewende wieder in Verbraucherhand legen und zu einer echten Liberalisierung des Strommarktes führen.

Symbolfoto Blockchain Code„Blockchain“ – was ist das? Vereinfacht gesagt: eine dezentrale Datenbank, die Transaktionen direkt zwischen zwei dezentralen Parteien ermöglicht – ohne das Zutun einer zentralen Instanz. Stellen Sie sich vor, Person A kann Person B einen Geldbetrag schicken, ganz ohne zwischengeschaltete Banken oder Finanzdienstleister. Dennoch ist das Ganze eindeutig dokumentiert, moderne Verschlüsselungsverfahren sorgen dafür. Die einzige auf Blockchain basierende Anwendung mit einer gewissen Bekanntheit ist derzeit die weltweit bekannte Krypto-Währung „Bitcoin“. Sie ermöglicht genau das oben Beschriebene: Geld-Überweisungen zwischen zwei Individuen ganz ohne zwischengeschaltete Bank.

Doch Blockchain kann noch mehr.

Um das in der Praxis zu erleben, muss man beispielweise nach New York reisen.

Ich habe mir dort angeschaut, was die Blockchain für den Strommarkt bedeuten kann. Dazu habe ich ein Gespräch mit Lawrence Orsini geführt.

So funktioniert die New Yorker Energie-Blockchain

Eine Energie-Blockchain wie Brooklyn Microgrid basiert auf dem gleichen Prinzip wie die Online-Währung Bitcoin. Nur, dass es hier nicht um die eindeutige Zuordnung von Geldern geht und deren Besitzerwechsel, sondern um Kilowattstunden.

  1. Wird Strom erzeugt, so wird u.a. die Menge, Zeitpunkt und Art der Erzeugung – ein sogenannter Block – in einer neutralen, dezentralen Datenbank als Datenblock festgehalten.
  2. Wird der erzeugte Strom verbraucht, so werden auch diese Informationen als Block erfasst und an den ersten Block angehängt.
  3. Aus der Gesamtheit dieser Blöcke ergibt sich die besagte Kette: die Blockchain, die Erzeugung und Verbrauch eindeutig identifizierbar macht.

In New York bildet das Brooklyn Microgrid, das als Folge des Hurrikan „Sandy“ im Oktober 2012 entstanden ist, den Marktplatz für diesen Stromhandel. Vorteilhaft daran ist, dass dieses Microgrid ein in sich geschlossenes Stromnetz darstellt, das sich im Notfall auch autark versorgen könnte.

Lawrence Orsini in New York Brooklyn Microgrid

Besuch bei Lawrence Orsini in New York: Er hat nichts Geringeres ins Leben gerufen als eine Art Mini-Stromnetz auf Basis von Blockchain. Name des Projekts: „Brooklyn Microgrid“. (Foto: energie-experten.org)

Welche Vorteile bringt die Blockchain im Stromnetz?

Eines der wohl wichtigsten finanziellen Argumente für die Blockchain im Stromnetz ist, dass sie die heute noch hohen und stark regulierten Transaktionskosten in der deutschen Stromwirtschaft auf ein Minimum reduzieren könnte.

Gerade Handelsgeschäfte, bei denen nur geringe Strommengen von Produzent zu Verbraucher geliefert werden – wie es beispielsweise in der Versorgung von Mietern mit Solarstrom vom eigenen Dach der Fall ist – sind prädestiniert für neue Anwendungsmodelle auf Blockchain-Basis.

Was soll mit meinem Strom passieren?

Doch der Einsatz einer Blockchain eröffnet noch interessantere Optionen, Strom dezentral zu erzeugen und lokal zu vertreiben. Denn der Erzeuger gewinnt durch die Blockchain ein Mitbestimmungsrecht. Er kann, wie heute schon in Brooklyn, auch über die weitere Nutzung seines Stroms entscheiden.

So gibt es dort Betreiber von Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen), die einen Teil ihres Solarstroms an bedürftige Verbraucher im Stadtteil spenden. Arbeitgeber können ihren Mitarbeitern Strom bereitstellen, den sie beispielsweise mit einer PV-Anlage oder einem Blockheizkraftwerk erzeugen.

Verbraucher bestimmen detailliert, woher ihr Strom kommt

Daneben verleiht die Blockchain dem Strom-Abnehmer vollkommen neue Möglichkeiten. Er nimmt durch sein Verhalten Einfluss auf die Erzeugung und letztlich auch auf den Preis. Bisher kann man als Stromkunde nur pauschal einen Ökostromtarif wählen. Doch der stellt lediglich sicher, dass irgendwo in das Netz grüner Strom eingespeist wird. Mit Blockchain wird es nun möglich, auf Verbraucherseite genau zu bestimmen, von welchem Dach genau der eigene Strom bezogen werden soll oder aus welcher Art von Erzeugung der Strom stammen soll. Das kann so weit gehen, dass man einzelnen Verbrauchern im Haushalt unterschiedliche Stromquellen/-lieferanten zuordnet. Das E-Auto bekommt dann anderen Strom als der Kühlschrank oder das TV-Gerät.

Erneuerbare-Anlagen gemeinsam betreiben

Mit Blockchain-Systemen könnten Nachbarn gemeinsam eine PV-Anlage betreiben und den Strom je nach Bedarf untereinander abrechnen. So könnte die Eigenverbrauchsquote einer PV-Anlage deutlich gesteigert werden. Die Rentabilität der Anlage würde steigen. Mehr Neuinstallationen unabhängig von EEG-Förderungen könnten die Folge sein.

Auch Verbrauchseinheiten wie Elektroautos könnten günstiger werden. Dank Blockchain ließen sie sich mit in der Nachbarschaft produziertem grünen Strom laden. Die Verbrauchseinheiten von mehreren benachbartem Parteien ließen sich miteinander abstimmen. Das Mikro-Stromsystem könnte flexibel optimiert werden: je nach gewünschter Präferenz (Umweltfreundlichkeit, Autarkie etc.).

Echte variable Stromtarife

Eine Blockchain vermag zudem, wirklich variable Tarife zu erzeugen. Mit ihr würden viele Erzeuger auf einem Markt agieren. Gleichzeitig würden viele Verbraucher durch die Blockchain die Möglichkeit erhalten, von mehreren Erzeugern in unterschiedlichster Zusammensetzung je nach aktuellem Verbrauchsverhalten und eigenen Präferenzen Strom zu beziehen. Wer ausschließlich grünen Strom für z. B. eine Veranstaltung möchte, kann dies dann ganz einfach online einstellen.

Macht die Blockchain im Stromnetz wirklich alles besser?

Es klingt so, als ob die Blockchain sowohl den entscheidenden Impuls für eine echte Liberalisierung des Strommarktes und somit Stärkung der Verbraucherrechte setzen könnte. Zudem hat sie das Potenzial, die Energiewende entscheidend voranzutreiben. Kritiker werfen jedoch ein, dass es sich doch vornehmlich nur um Marketingaspekte drehe. Denn letztlich werde ja doch jeglicher Strom miteinander gemischt über das Netz zum Verbraucher geliefert. Was meinen Sie? Hat die Blockchain das Zeug dazu, das Stromsystem nachhaltig zu prägen oder ist sie nur eine Idee für wenige Idealisten?

Hinweis: Dieser Beitrag nimmt an der Blogparade „Digitalisierung in der Energiewende“ teil. Bis 15.12.2016 haben Blogger die Möglichkeit, Beiträge dazu zu verfassen, die in einem Übersichtsbeitrag beim SMA Blog zusammengefasst werden.

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