Ich muss zugeben: Wochen, ja: Monate lang fristete „Blue Freedom“, so heißt das Mini-Wasserkraftwerk für den Rucksack, zunächst ein Dasein in der Ecke unseres Büro, nachdem der bayerische Tüftler Rolf Hoffmann es mir auf Anfrage zugeschickt hatte. Der kann ein Lieder davon singen. „Schon ausprobiert?“ – „Nein, noch nicht dazu gekommen.“

Keine Zeit, kein Plan, wo ein geeigneter Wasserlauf sein könnte, kein Ergebnis bei entsprechenden Internet-Recherchen. Doch heute ist der Tag: ausprobiert, vielleicht ein bisschen ungeschickt angestellt, aber letztlich mit Erfolg eigenen Strom produziert. Keine fünfhundert Meter vom Büro entfernt. Geht doch!

Jetzt, da ich eine geeignete Stelle gefunden habe, könnte ich das Mini-Wasserkraftwerk mit einem Tau fixieren. Dabei ist wichtig, dass die Basiseinheit nicht ins Wasser fällt, denn das würde eindringen. Generator und Akku sind nicht wasserdicht verpackt.

Wenn der Rotor kontinuierlich die zum Basisgerät führende Welle dreht und der Mini-Generator in demselben läuft, lädt sich der Akku im „Blue Freedom“ auf, und ich kann gleichzeitig oder später ein kleines Gerät aufladen, etwa mein Smartphone. Eine Anwendung, die beispielsweise auf dem Camping-Platz interessant sein kann, bei Bergtouren oder sonstigen Outdoor-Aktivitäten.

Genau in einer solchen Outdoor-Situation waren die Gründer des Startups, das hinter „Blue Freedom“ steht, ehemals lautete der Name „Aquakin“, auch gemeinsam auf die Idee gekommen, sich auf Mini-Wasserkraftwerke zu spezialisieren. „Beim Wandern, oben auf der Hütt’n“, erzählt Rolf Hoffmann. Andere Wanderer hatten gemeint, sowas wäre doch praktisch. Ein Wasserkraftwerk für den Rucksack.

Ich telefoniere mit Hoffmann. Er nimmt mich mit auf eine kleine Zeitreise. Rückblick. Ursprünglich, vor der Gründung gemeinsam mit Studienfreunden, war er in Großunternehmen tätig. Der Wirtschaftsingenieur hatte rasch Karriere bei unterschiedlichen Unternehmen in der Finanzbranche gemacht. Zuletzt hatte er die Position des Direktors Privatkunden bei einer großen Bank erreicht.

Hoffmann war immer unter Menschen, immer eingebunden in große Strukturen, mit all den Vorteilen, aber auch all den Nachteilen. Denn in Unternehmen geht es ja immer auch um Hierarchien, Karrieren, Persönliches, es menschelt, nicht immer im positiven Sinne.

„Dieses ganze Politikzeug hinten dran ist echt nervig“, kommentiert Hoffmann die Nachteile der Konzernlebens. Daher beschlossen seine Frau und er irgendwann gemeinsam, dass jetzt ein guter Zeitpunkt für eine Zäsur sei. Die beiden Töchter waren genau im richtigen Alter – für eine Weltreise.

Die Weltreise dauerte ein Jahr. Ein Jahr, in dem eine Finanzkrise stattfand. „Als ich zurück war, lag die Finanzwelt am Boden“, erinnert sich Hoffmann. Was exakt er dabei empfindet? Ich bin mir nicht sicher, aber während ich mit  Rolf Hoffmann spreche, scheint mir: Traurig war er keinesfalls über diese Änderung in seinem Leben. Sein nächster Satz bestätigt die Vermutung: Zwar hätte ihn die Automobilbranche auch noch interessiert. Aber: „Ich wollte im Leben einmal etwas Bedeutendes machen, etwas, das Sinn ergibt.“ So kam es zu seinem Entschluss, gemeinsam mit Freunden, die „Aquakin“ bereits gegründet hatten, weiter an der Entwicklung von Mini-Wasserkraftwerken zu arbeiten.

Seitdem zieht das Team in Oberbayern an einem Strang. Es galt, gewisse Qualitätsmängel aus der ersten, mit Crowdfunding finanzierten, Version des mit Mini-Wasserkraftwerks auszubessern, vor allem im Bereich der Elektronik. Deren Fertigung wurde zurück nach Deutschland geholt, nach Dießen am Ammersee, so dass „Blue Freedom“ jetzt im Sinne von „montiert“ sozusagen „Made in Bavaria“ ist. Eine verbesserte Version – die ich getestet habe – ist bereits verfügbar, und demnächst kommt eine ganz neue „Version 2.0“. Die werde richtig klasse, sagt Hoffmann.

Stellt sich die Frage: Wer kauft ein solches Produkt? Wer möchte in Zeiten allgegenwärtiger Steckdosen und „Power Packs“ (portable Zusatz-Stromspeicher für Smartphones) sein Smartphone mit Wasserkraft aufladen? „Im Moment sind vor allem Neugierige die Käufer“, sagt Hoffmann. Das Produkt sei sozusagen ein „gehobenes Mitbringsel“.

Für 300 EUR kann man durchaus von gehoben sprechen. Die nächste Version soll günstiger werden, 200 US-Dollar. Ziel ist eine Version unter 100 US-Dollar Verkaufspreis. Die Übersee-Währung deutet schon an, welcher Markt offensichtlich vielversprechender als der hiesige ist: Hierzulande verkaufe man nicht allzu viel, so Hoffmann. Doch US-amerikanische Outdoor Shops hätten Interesse signalisiert, und das sei stark. „Wir bereiten uns darauf vor, dass wir bald jeden Monat mindestens 1000 Stück produzieren können.“

Alles nur Spielerei? Für das Outdoor-Rucksackkraftwerk „Blue Freedom“ mag das gelten, sicherlich. Doch das Team rund um Hoffmann entwickelt auch Produkte, die einen ernsteren Hintergrund haben. Es handelt sich um portable Kleinwasserkraftwerke, die durchaus genug Leistung bringen können, um einen kleinen Haushalt mit Strom zu versorgen.

Eines der Kraftwerke, das „Kinetic“, ist 4,20 Meter mal 2,30 Meter groß und für flache, langsam fließende Gewässer gedacht. „Das ist ein richtiges Monster“, lacht Hoffmann. Doch auch diese Lösung ist, auf einen Anhänger geladen, durchaus portabel. Zudem bietet „Blue Freedom“ Turbinen an, die Strom in permanent genutzten Wasserleitungen oder an Stellen mit besonders starkem Gefälle wie Wasserfällen erzeugen. Auf der Website von Blue Freedom lassen sich Details zu den Wasserkraftwerken (https://blue-freedom.net/de/)nachlesen.

Meine Frage, ob so etwas in Deutschland legal betrieben werden kann, lässt sich erwartungsgemäß nicht so leicht beantworten. Man müsse einerseits das Wasserrecht an der entsprechenden Stelle besitzen oder erwerben, so Hoffman. Zudem müsse man die Ämter davon überzeugen, dass man keine Fische schädige. Faustregel: Der Natur muss es nach jeder Veränderung an einem Gewässer möglichst besser gehen als vorher, dann hat man eine Chance auf Erlaubnis.

Hinzu kommt: Deutet sich an, dass aufgrund eines Unwetters jede Menge Geschwemmsel den Bach oder Fluss herunterbrettert, dann sollte der Besitzer eines solchen „Monster“-Kleinkraftwerks dasselbe rechtzeitig in Sicherheit bringen. Denn einen angeschwemmten Baumstamm packt es nicht so ohne weiteres.

So ist das eben mit der Wasserkraft: Auch wenn es für Außenstehende so aussieht, als produziere sich der Strom von alleine, so ist die Energiegewinnung aus der Kraft von Gewässern eben eine mit jeder Menge Vorsicht und Arbeit verbundene Geschichte. Dennoch: Hoffmann und Kollegen sind guter Dinge, dass ihr Geschäft bald weiter wächst, und zwar international. „Wir sehen, dass sowas weltweit gefragt ist.“

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