E-Mobility in der Praxis: Ein ganz persönlicher Selbstversuch mit smart, Nissan und Tesla. Bewährt sich der rein elektrische Antrieb in der Praxis?

Elektrisch und neuartig muss es sein. Niemand in meiner Umgebung soll es schon haben. Innovatives Zeugs ist mein Spielzeug. Das war schon in meiner Kindheit so.

Damals, als junger Teenie, sparte ich mein Taschengeld, bis es für eine Bestellung „beim Conrad“ (Elektronikversand) langte. Da wurde dann schon mal gelötet und experimentiert. Das Mischpult mit der Funkstation verbunden (illegal, aber dürfte verjährt sein), mit dem Piezogenerator das elterliche Weckradio zerstört oder aus dem Elektro-Baukasten ein Radio zusammengebastelt, das gänzlich ohne Stromzufuhr funktioniert – nur mit der Energie der Radiowellen aus der Luft. Das geht, siehe Wikipedia!

Ein elektrisches Fahrzeug: Das ultimative Innovationsspielzeug

Doch diese Zeit ist vorbei, und heute sind es andere Spielzeuge. Ab und zu kaufe ich eine Drohne oder irgendwelche anderen Gadgets. Vielleicht bastle ich mir demnächst auch ein Smart Home, experimentiert habe ich damit schon.

Doch das ultimative Innovationsspielzeug ist für mich ein elektrisches Fahrzeug. Vorankommen ohne lautes Motorengeräsch, ohne Gestank – toll.

Und im Herbst steht ein neues Fahrzeug an. Was liegt da näher, als sich mit Elektromobilität zu beschäftigen?

Car2Go Stuttgart: Willkommen im smart fortwo electric drive!

Car2Go Stuttgart: Willkommen im smart fortwo electric drive!

Erste Erfahrungen mit E-Mobility: Car2Go in Stuttgart

Erste Erfahrungen mit rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen konnte ich als Stuttgarter sammeln – mit den „smart fortwo electric drive“ des Carsharing-Angebots von Car2Go. Anfangs war ich vom Konzept total begeistert und hatte darüber auch euphorisch gebloggt. Und nach wie vor finde ich Car2Go eine super Idee: Auto per App finden, nutzen, wieder abstellen – irgendwo im Geschäftsgebiet, und das in vielen deutschen Städten.

Car2Go Stuttgart in Aktion

Car2Go Stuttgart in Aktion

Nur kam nach einiger Zeit die Flughafengebühr – fünf Euro extra, wenn die Fahrt dort beginnt oder endet. Damit wurde das Taxi für meine Entfernung S-Mitte/Flughafen wieder genauso attraktiv – und komfortabler. Außerdem: Ein Taxi bietet einen ausreichend großen Kofferraum. Mit durchwachsenen Gefühlen erinnere ich mich an eine Rückkehr von einer Reise, zu zweit, und an den Versuch, am Flughafen die Koffer zweier Personen bei Dunkelheit, geblendet vom hellen Display im Cockpit, in den Kofferraum – wenn man das so nennen kann – zu quetschen.

Der elektrische smart hängt schon mal einen dicken Boliden ab

Sehr gut gefällt mir dagegen das Fahrverhalten. Mit den „smart fortwo electric drive“ lässt sich super energiesparend fahren, aber auch dynamisch. An der Ampel zieht man dank des wunderbaren Drehmoments schon mal dem einen oder anderen angeberischen Boliden davon. Bergab kann man es entspannt rollen lassen.

Logo_my-e-carIch persönlich habe das Car2Go-Angebot in Stuttgart ausprobiert. Für das Energiedienst-Gebiet ist natürlich der Hinweis wichtig: Seit Anfang Dezember 2014 können in Südbaden über my-e-car Elektrofahrzeuge ohne großen bürokratischen Aufwand ausgeliehen werden. my-e-car ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Stadtmobil Südbaden AG und der Energiedienst Holding AG. Rund 40 Fahrzeuge des Typs Renault ZOE können online reserviert werden.

Beim Rollen ohne Tritt auf’s Gas-, Verzeihung: Strompedal sowie beim Bremsen können Elektroautos Energie zurückgewinnen; Fachleute sprechen von Rekuperation. Und während dieses Rekuperieren beim gelegentlichen Ausleihen eines smart in der Stadt nicht so wichtig ist, spielt es – das Fahrverhalten allgemein – bei der dauerhaften Nutzung eines Elektroautos eine sehr große Rolle. Nicht umsonst bietet Nissan Käufern des Leaf im ersten Jahr einen kostenlosen Abschleppservice an, sollten sie mit leerem Akku irgendwo liegenbleiben.

Nissan Leaf

Der Nissan Leaf: Meistverkauftes Elektroauto weltweit. Ziemlich schick. Doch weite Landschaften und E-Mobility – gerade das verträgt sich noch nicht so richtig.

Erlebt habe ich die gewissen Einschränkungen hinsichtlich der Reichweite beim Praxistest des vollelektrischen Nissan Leaf, der ironischerweise in den Tagen unmittelbar nach meinem Wegzug von Stuttgart Mitte auf’s Land stattfand. Hätte ich im Stadtverkehr getestet, so wäre mein – rein subjektives – Urteil vielleicht ganz anders ausgefallen.

Nissan Leaf: Die Ladeanschlüsse

Nissan Leaf: Die Ladeanschlüsse

Ich war total gespannt darauf, das Fahrzeug mehr als fünf Tage lang im Alltag zu testen. Zwei Ladekabel waren im Gepäck: Das für Zuhause – an der 220-Volt-Steckdose – und ein Schnellladekabel für unterwegs, das sich an öffentliche Ladestationen anschließen lässt.

Zuhause an der ganz normalen Schuko-Steckdose benötigt der Aufladevorgang zehn Stunden, das kann schonmal eng werden, wenn man spät nach Hause kommt und morgens wieder los will. Eine optionale Heimladestation, die ich im Rahmen meines Tests nicht zur Verfügung hatte, lädt den Leaf laut Hersteller mit bis zu 4,6 kW in 5 Stunden voll auf. Unterwegs an den öffentlichen Ladestationen, die sich auf Basis grundgebührenpflichtiger Verträge oder grundgebührenfreier Prepaid-Karten nutzen lassen, klappt der Aufladevorgang schneller – kostet aber auch mehr (beispielsweise 5 EUR/Stunde in meinem Fall).

Nissan Leaf: Die Vor- und Nachteile aus meiner Sicht

Doch wie fühlte es sich nun an, das Herumdüsen mit dem Leaf? Ich fasse es mal in aller Kürze zusammen:

Die Vorteile:

  • angenehme Beschleunigung
  • komfortabler, geräumiger Innen- und Kofferraum
  • recht intuitiv bedienbare Elektronik, eine kurze Einweisung reicht völlig aus
Rücksitze Leaf Platzangebot

Die Rücksitze im Leaf bieten ausreichend Beinfreiheit

Die Nachteile:

  • Reichweite. Man lernt recht schnell, die eigentlich angenehme Beschleunigung nicht auszukosten, keine Spitzengeschwindigkeiten zu fahren, ständig den Blick auf die angezeigte Restreichweite schweifen zu lassen und anderen Verkehrsteilnehmern durch den Fahrstil zu signalisieren, dass man ein Energiesparweltmeister ist.
  • Hoher Anschaffungspreis. Mein Testfahrzeug war top ausgestattet und hätte einschließlich Akku und umfangreicher Sonderausstattung fast 38.000 EUR gekostet. Den Akku kann man kaufen oder mieten.
  • Wiederverkauf? Das wird schwer. Den Betrag, den man in einen Leaf oder eine ähnliche Alternative wie den Renault Zoe investiert, sollte man gedanklich gleich abschreiben. Denn wer möchte in drei, vier Jahren ein Elektrofahrzeug aus dem Jahr 2015 kaufen – veraltet und mit einem -zigtausende Kilometer gelaufenen Akku? Sprich: Der Erwerb eines Elektrofahrzeugs ist trotz Förderung, etwa durch günstige KfW-Kredite, eine Sache für absolute Überzeugungstäter.

Gern gesehen ist man mit einem Elektrofahrzeug durchaus

Gern gesehen ist man mit einem Elektrofahrzeug in der Regel durchaus. Zumindest, solange man angesichts der fehlenden Motor-Geräuschkulisse (es gibt einen abschaltbaren Warnton bei langsamen Geschwindigkeiten) nicht Fußgänger und Radfahrer überrascht und in Bedrängnis bringt. Einige Passanten sprachen mich an, wollten wissen, was der Wagen kostet und wie er sich fährt.

Das Aufladen zuhause an der 220-Volt-Schuko-Steckdose dauert leider die ganze Nacht - und länger

Das Aufladen zuhause an der 220-Volt-Schuko-Steckdose dauert leider die ganze Nacht – und länger

Negative Erfahrungen sammeln E-Auto-Fahrer dagegen ab und zu an den öffentlichen Ladestationen. Denn die sind oft von konventionellen Autos („Verbrennern“) zugeparkt. Zudem können sie ausfallen – entweder gar nicht nutzbar sein oder aber den Ladevorgang nach erfolgreichem Start doch noch abbrechen. Merkt man das erst hinterher, dann hat man ein Problem, wenn die Restladung nicht mehr für den Rückweg nach Hause reicht.

Man sammelt so seine Erfahrungen, sowohl mit der Technik, mit den Zuparkern, die keine Rücksicht nehmen, und auch mit der Servicequalität von Ladesäulenbetreibern. An einer Energiedienst-Ladesäule habe ich bisher übrigens nicht aufgeladen, aber das kommt vielleicht noch – denn ich wollte mir eigentlich auch noch den Zoe anschauen und damit vielleicht einmal nach Rheinfelden fahren. Denn im Energiedienst-Gebiet gibt es ja Lademöglichkeiten.

Kürzer ist mein Ausflug mit dem Tesla Model S ausgefallen. Denn da solch ein Teil mehr als 80.000 EUR kostet, ist das Testfahrten-Handling natürlich etwas restriktiver. Vor einigen Monaten ist es mir gelungen – motiviert durch einen Besuch im Tesla-Showroom in Zürich, sehr informativ und angenehm freundliche Beratung -, eine Testfahrt mit dem Model S zu ergattern. Eine Stunde lang. Und sehr vorsichtig: Selbstbeteiligung im Schadenfall 3.000 EUR.

Tesla Model S Signature

Tesla Model S Signature

Leider hatten wir während der Tesla-Testfahrt zähfließenden Verkehr auf der Autobahn bei Stuttgart, ich konnte die Spitzengeschwindigkeiten daher nicht austesten. Zudem konnte ich mich nicht vollkommen auf das Fahrerlebnis konzentrieren: Ein ebenso freundlicher wie gesprächiger Tesla-Verkäufer saß die ganze Zeit neben mir. Dennoch reichte eine Stunde aus, um meine Vermutung zu bestätigen: Das Tesla Model S ist ein echter Allrounder. Sportwagen und Limousine in einem. Mit einem wahnsinnigen Platzangebot – für Passagiere und auch Gepäck. Dazu kommen bis zu 500 Kilometer Reichweite und ein wachsendes Netz kostenloser Lademöglichkeiten an Autobahnen.

Das Cockpit eines Tesla Model S - moderner Komfort in Reinform

Das Cockpit eines Tesla Model S – moderner Komfort in Reinform

Tolles Auto!

Cockpit des Nissan Leaf: Restreichweite im Blick

Cockpit des Nissan Leaf: Restreichweite im Blick

Fazit nach meinen bisherigen Experimenten mit der Elektromobilität: Es bleibt faszinierend. Aber deutlich über 20.000 bis mehr als 30.000 EUR für ein Elektrofahrzeug auszugeben, das mit gravierenden Einschränkungen bei der Reichweite nervt (Kinderkrankheiten bei meinem Testfahrzeug habe ich aus Gründen der Fairness nicht weiter erwähnt – weil es Einzelprobleme an genau diesem Fahrzeug waren) – das kann ich mir aktuell nicht wirklich antun.

Zero Emmision - ein dezenter Hinweis auf den elektromobilen Antrieb. Für mich ist ein reines E-Auto im Moment auf Dauer wohl noch nicht praxistauglich.

Zero Emmision – ein dezenter Hinweis auf den elektromobilen Antrieb. Für mich ist ein reines E-Auto im Moment auf Dauer wohl noch nicht praxistauglich.

Leasing – vielleicht, denn hier hat ja der Händler das Problem mit dem Restwert bzw. die Bank des Autokonzerns. Nur lassen sich die Autobanken genau das ja auch fürstlich bezahlen, was mir im Moment – bei nahender Rückgabe meines derzeitigen Fahrzeugs – einmal mehr sehr bewusst wird.

Fazit: Ich fürchte, ich werde mir im Herbst wieder einen Verbrenner zulegen. Am besten keinen Neuwagen wegen des Wertverlusts. Und dann einige Jahre abwarten, bis die reinen Elektrofahrzeuge wirklich reif für den Markt sind.

Zudem gibt es ja noch die Hybridmodelle. Für mich persönlich nichts, aber sicherlich auch eine Alternative – sie erlauben einem E-Mobility, lassen einen aber auch nicht im Stich, wenn der Akku mal alle ist, weil sie zwei Antriebe haben, einen elektrischen, einen konventionellen. Auch Hybride mit Benzin und Autogas sind eine interessante Sache, ein Freund hat solch einen Wagen und ist von der Betriebskostenbilanz hellauf begeistert.

Vielleicht kaufe ich mir ja auch einen Elektroroller als Zweitfahrzeug. Oder noch ’ne Drohne. Denn ein bisschen Innovation muss sein.

P.S.: Okay, der Ehrlichkeit halber: Was ich bisher noch niemandem verraten habe… Ich konnte nicht widerstehen und habe mir (nach Kaputtfliegen der vorigen) bereits eine neue Drohne bestellt. Die hier.

Kommende Woche lesen Sie im Energiedienst-Blog einen Erfahrungsbericht über einen elektrisch betriebenen Transporter für Gewerbetreibende. Wenn Sie den Beitrag nicht verpassen wollen: Abonnieren Sie einfach unsere Blogbeiträge per E-Mail.

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Fotos in diesem Beitrag:

Tesla Model S, Außenansicht: intelfreepress/flickr (CC BY-SA 2.0)
Symbolfoto Stecker mit Steckdose: complize/photocase.com
Restliche Fotos: Nicole Y. Männl (6), Bernhard Jodeleit (2: Car2Go, Tesla-Innenansicht)

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