Gesetze sind die Grundlage unseres Zusammenlebens, haben aber im Allgemeinen einen schlechten Ruf. Sie gelten als unlesbar, nur Fachleuten zugänglich und in viele Richtungen interpretierbar. Die Herausforderung eines Gesetzes liegt darin, unsere komplexe Lebenswelt wirklich zu erfassen und in die vom Gesetzgeber gewünschte Richtung zu bewegen. Daher sind Gesetzestexte in einer sperrig scheinenden Sprache formuliert, denn sie sollen jeden Eventualfall regeln und natürlich die berüchtigten Gesetzeslücken, die findige Juristen ausmachen, gar nicht erst aufkommen lassen.
Wenn Sie meine Meinung als Nichtjurist hören wollen: Es lohnt sich durchaus, Gesetze einmal selbst zu lesen und zu versuchen, sie zu verstehen. Denn wenn das Internet einen Vorteil hat, dann diesen: Gesetze liegen inzwischen komplett und allen zugänglich vor. Jeder kann nun selbst einen Blick hineinwagen und seinen gesunden Menschenverstand walten lassen. Das gilt auch für das „Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien“, landläufig auch Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) genannt. 104 Paragraphen weist dieses am 29. März 2000 erstmals vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz auf. Inzwischen wurde es mehrfach geändert, zuletzt im Juli 2014. Hier eine hoffentlich verständlich Erläuterung, was dieses Gesetz will, das so entscheidend ist für die aktuelle Situation in der Energiewirtschaft, und was es eigentlich genau regelt.
Was will der Gesetzgeber mit dem EEG erreichen?
Im §1 werden der Zweck und das Ziel des EEG direkt genannt. Bei den Zwecken stehen demnach die Herausforderungen im Vordergrund, die sich in den energiepolitischen Diskussionen der letzten Jahre wiederfinden. Zunächst soll das Gesetz dem Klima- und Umweltschutz dienen, indem eine „nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung“ ermöglicht werden soll. Klar, dass eine derartige Energieversorgung nicht von jetzt auf gleich vorgeschrieben wird. Es geht um eine Entwicklung. Anders wäre es auch gar nicht möglich. Die Erzeugung von Strom muss ja permanent organisiert werden.
Es soll eine Entwicklung angestoßen und gesteuert werden mit dem EEG, allerdings mit einer Bedingung, die „volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern“. Es soll also mit dem EEG nicht nur der Umwelt gedient, sondern es sollen sogar die Kosten für Energie gesenkt werden. Was mit den externen Effekten gemeint ist, die sich langfristig (eine etwas schwammige Zeitbestimmung) auswirken werden? Schwierig zu sagen. Vielleicht das: Sonne und Wind sind gratis, und daraus kann sich durchaus die Konsequenz ergeben, dass die Erzeugung von Energie kostengünstiger wird. Konkret erleben wir das ja schon in diesen Tagen, da die Erzeugerpreise so niedrig sind wie nie, nur dass sich das aus anderen Gründen nicht unmittelbar auf die Verbraucherpreise auswirkt. Für diese Entwicklung wird oft das EEG als Verursacher haftbar gemacht, was teilweise berechtigt ist, aber nicht den Kern trifft, denn, siehe oben: Wir befinden uns in einer Entwicklung, in einer Übergangsphase, Verwerfungen nicht auszuschließen.
Es wird im ersten Paragraphen des EEG noch ein weiterer Zweck genannt: Das Gesetz soll dem Zweck dienen, „fossile Energieressourcen zu schonen“. Das ist Ausdruck der Erkenntnis, dass Kohle, Öl und Gas nicht unendlich auf unserem Planeten zur Verfügung stehen, sondern irgendwann aufgebraucht sein werden. Wann das eintritt, darüber gibt es zwar in der Wissenschaft immer wieder unterschiedliche Aussagen, aber die Tatsache an sich ist natürlich unbestreitbar. Außerdem soll mit diesem Gesetz die „Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien“ gefördert werden. Es geht also um technischen Fortschritt, um die Feststellung, dass wir noch nicht über voll ausgereifte Verfahren verfügen, um die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen optimal zu gestalten.
Was aber ist eigentlich genau mit „erneuerbaren Energien“ gemeint? Darüber gibt der §5 Auskunft, der Begriffe bestimmt, die in dem Gesetz immer wieder vorkommen. In Abschnitt 14 wird aufgezählt, was unter „erneuerbare Energien“ zu verstehen ist:
- Wasserkraft einschließlich der Wellen-, Gezeiten-, Salzgradienten- und Strömungsenergie
- Windenergie
- solare Strahlungsenergie
- Geothermie
- Energie aus Biomasse einschließlich Biogas, Biomethan, Deponiegas und Klärgas sowie aus dem biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen aus Haushalten und Industrie
Diese allgemeinen Zwecke werden bestimmt, um etwaige Interpretationen der Detailregelungen in den folgenden Paragraphen eine klare Richtung zu geben. Wenn sich herausstellt, dass es bei der Auslegung einzelner Paragraphen zu schwierigen Entscheidungen kommt, weil etwas unklar formuliert wurde, dann dienen die Festlegungen der grundsätzlichen Zwecke als Leitplanken, an denen sich höchstrichterliche Entscheidungen orientieren können. Es kann also nicht sein, dass Urteile auf der Basis des Gesetzes diesen Zwecken diametral entgegengesetzt ausfallen.

Ein mit Photovoltaik und Stromspeicher betriebener „Solar-Kühlschrank“ auf der Intersolar 2015
Die Ziele des EEG
Der Zweck des Gesetzes ist also klar. Aber es werden auch eindeutige Etappenziele vorgegeben, mit denen dieser Zweck erreicht werden soll. Im Prinzip kann man unterscheiden zwischen einem großen Fernziel und denen, die in Etappen in der Zwischenzeit anstehen. Beim „Bruttostromverbrauch“ fordert das Gesetz ein großes Ziel bis zum Jahr 2050. Dann soll der Anteil erneuerbarer Energien mindestens 80% betragen, wobei diese Steigerung „stetig und kosteneffizient“ erfolgen soll. Die Akteure der Stromwirtschaft sind also einerseits gefordert, dieses Ziel ab sofort anzustreben und ihre Anstrengungen nicht bis 2049 aufzuschieben und dann mit einem Schlag alles umstellen zu wollen, was technologisch sowieso unrealistisch ist. Zum anderen müssen sich die Kosten im Rahmen bewegen und sollen nicht aus dem Ruder laufen.
Bei den Etappen auf dem Weg zu den 80-Prozent-Anteil formuliert das EEG diese Zwischenschritte:
- 40 bis 45 Prozent bis zum Jahr 2025
- 55 bis 60 Prozent bis zum Jahr 2035
Aktuell stehen wir bei etwa 30 Prozent, so die Zahlen aus 2015. Es ist also gar nicht mal so schlecht gelaufen in den letzten Jahren.
Darüber hinaus formuliert das Gesetz sogar ein Ziel in Bezug auf den Energieverbrauch insgesamt. Denn es wird ja nicht nur für die Stromerzeugung Primärenergie verbraucht, sondern auch für industrielle Prozesse, für die Heizungen oder die Mobilität. Bei diesem „Bruttoendenergieverbrauch“ soll der Anteil der erneuerbaren Energieen bis 2020 auf 18 Prozent erhöht werden. Diesem Ziel dienen zum Beispiel die Anstrengungen der Bundesregierung zur Etablierung der Elektromobilität, aber auch bei der Dämmung von Häusern. Mit letzterem soll zum Beispiel die Gesamtmenge der verbrauchten Energie gesenkt werden.
Zudem formuliert das Gesetz in §3 einen detaillierten „Ausbaufpfad“. Konkret handelt es sich um Angaben in Megawatt (MW) pro Jahr, um die die Kapazitäten der verschiedenen Erzeugungsarten erhöht werden sollen. So sollen bei der Windenergie an Land (Onshore) 2.500 MW pro Jahr hinzukommen, bei der Photovoltaik sind es ebenfalls 2.500 MW und bei der Biomasse 100 MW. Bei der Offshore-Windenergie werden Gesamtzahlen genannt: Bis 2020 sollen 6500 MW und bis 2030 15.000 MW installiert sein. Der Verzicht auf Jahreszahlen ist sicherlich der technischen Komplexität und der damit verbundenen Vorlaufzeit bei der Planung dieser Anlagen geschuldet.
Transparenz herstellen
Ein wichtiger und gänzlich neuer Ansatz ist das Bestreben des Gesetzgebers, beim Ausbau der Erneuerbaren Energien ein gewisses Maß an Transparenz herzustellen, den es in diesem Umfang in der Stromwirtschaft bisher nicht gegeben hat. So verpflichtet das Gesetz zu einem Anlagenregister, in dem alle Anlagen verzeichnet sind, die dazu dienen, das Ziel des Gesetzes zu erreichen. Das Register dient dabei vor allem den Zweck, überprüfen zu können, ob die festgelegten Ziele erreicht werden. Dem entsprechend sind in dem Register alle Daten festgehalten, die man dazu braucht. Neben dem Namen des Betreibers sind das zum Beispiel der Standort, die Art der Energieerzeugung und natürlich die Leistung der Anlage. Das Anlagenregister ist öffentlich und wird von der Bundesnetzagentur gepflegt.
In §77 werden die Netzbetreiber und die Elektrizitätsversorgungsunternehmen außerdem verpflichtet, der Öffentlichkeit alle Daten zur Verfügung zu stellen, aus denen man deren Anteile an der Stromversorgung entnehmen kann, übrigens in allgemeinverständlicher Form, denn: „Die Angaben und der Bericht müssen eine sachkundige dritte Person in die Lage versetzen, ohne weitere Informationen die finanziellen Förderungen und die geförderten Energiemengen vollständig nachvollziehen zu können.“ Auf der anderen Seite erhalten die Energieversorger das Recht, ihren EEG-Strom mit dem Hinweis zu bewerben: „Erneuerbare Energien, gefördert nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz“.
Einspeisevergütung und die EEG-Umlage
Die öffentliche Diskussion über Wohl und Wehe der Energiewende dreht sich im Wesentlichen um die Vergütung, die Betreiber von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien garantiert pro Kilowattstunde erhalten. Der Punkt dabei ist, dass diese Vergütung höher als der Betrag ist, den man bei Verkauf des Stroms auf dem Strommarkt erzielen kann. Das liegt daran, dass die Anschaffungskosten dieser Anlagen zumindest bisher zu hoch sind, als dass man mit der konventionellen Erzeugung konkurrieren könnte. Um aber den Ausbau der Erneuerbaren gemäß den Zielen zu realisieren, legt das Gesetz eben fest, dass die Verursacher, also diejenigen, die den Strom verbrauchen, diese Subvention aufbringen müssen. Das ist die sogenannte EEG-Umlage.
Allerdings gibt es Ausnahmen: In §64 ist festgelegt, dass „stromkostenintensive Unternehmen“ die EEG-Umlage nicht oder nur teilweise begleichen müssen, wenn dies sonst nicht „mit ihrer internationalen Wettbewerbssituation vereinbar ist“. Viel Raum für Diskussion, denn darüber entscheidet letztlich auf Antrag das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Ganz ausgenommen von der EEG-Umlage sind übrigens auch Betreiber von Schienenbahnen, „um die intermodale Wettbewerbsfähigkeit der Schienenbahnen zu erhalten“. Der Betrieb von Eisen-, S- und U-Bahnen sollen nicht zu teuer werden, der ÖPNV nicht ins Hintertreffen geraten.
Aktuell liegt die EEG-Umlage für den privaten Verbraucher bei etwas über 6 Cent pro Kilowattstunde und ist damit schon teurer als die eigentliche Erzeugung. Um diese Kosten zu begrenzen, wurden die Einspeisevergütung für neue Anlagen abgesenkt und weitere Maßnahmen ergriffen, wie zum Beispiel die Regelung, dass ein wachsender Anteil des eingespeisten Stroms nicht mehr garantiert vergütet wird, Stichwort Eigenverbrauch.
Um dem relativen teuren erneuerbaren Strom überhaupt eine Chance auf dem Strommarkt zu geben, legt das EEG außerdem fest, dass die Netzbetreiber diesen Strom abnehmen und bevorzugt ins Netz einspeisen müssen. Dabei können sie sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, dass ihre Verteil- oder Übertragungsnetze für eine solche massenhafte Stromabnahme nicht geeignet sind. Sie müssen die Netze dann eben ertüchtigen, so das Gesetz.
Stellschrauben: Eigenverbrauch und Direktvermarktung
Da die von allen Stromkunden zu erbringende EEG-Umlage in den letzten Jahren immer neue Höhen erklommen hat, war der Gesetzgeber bei der aktuellen Reform vor allem bemüht, die Menge der umlagefähigen Stromeinspeisung weiter zu reduzieren, ohne den Ausbau der regenerativen Energieerzeugung insgesamt abzuwürgen.
Zum einen wird jetzt bei neu errichteten Anlagen nicht mehr der insgesamt durch die Anlage erzeugte Strom bezuschusst, sondern je nach Größe der Anlage nur ein gewisser Teil zum Beispiel 90% bei Solaranlagen unter 20 kW Nennkapazität. Den Rest des Stroms sollen die Erzeuger am besten selbst verbrauchen oder eben ohne garantierten Festpreis ins Netz einspeisen.
Bei Anlagen, die über eine Nennkapazität von mehr als 100 kW verfügen, ist seit dem 1. Januar 2016 sogar die Direktvermarktung vorgeschrieben. Dabei handelt es sich um Biogasanlagen, große Solarfelder oder auch Windkraftanlagen. Die sollen ihren erzeugten Strom nun eben direkt am Markt platzieren. Meist geschieht das über Partner bei den Energieversorgern, auch Energiedienst hat ein entsprechendes Angebot für die Direktvermarktung, um die Kapazitäten dann gebündelt an der Strombörse zu platzieren.
Ob diese Reformen ihre Ziele erreichen – EEG-Umlage begrenzen ohne Ausbau zu gefährden – muss die Zukunft erweisen. Sie bringen auf jeden Fall frischen Wind in die Energiewende, weil sich nun sowohl die Themen „Virtuelle Kraftwerke“ wie auch der Aufbau privater Speicherkapazitäten neu stellen.

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EEG: Das Fazit
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat weltweit für Aufsehen gesorgt und wird inzwischen in vielen Ländern kopiert. Es hat außerdem bei der Photovoltaik einen Nachfrageboom ausgelöst, der dazu geführt hat, dass die Kosten für Solaranlagen durch die nun mögliche Massenfertigung enorm gefallen sind. Davon profitiert die ganze Welt. Solarstrom ist inzwischen zumindest in den subtropischen und tropischen Weltregionen günstiger als die Verstromung fossiler Brennstoffe. So gesehen ist das EEG ein enormer Erfolg, auch wenn die deutschen Stromverbraucher etwas skeptisch bleiben, weil ihr Strom durch die EEG-Umlage belastet wird. Hier hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren nachgesteuert, um das zu begrenzen und mehr Marktmächte walten zu lassen. Ob das gelingt oder sogar das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, also die Energiewende abgewürgt wird, bleibt abzuwarten.
Dirk Baranek ist Geschäftsführer einer Agentur für digitale Kommunikation in Stuttgart. Er war als Freier Online-Redakteur und Journalist (DJV) tätig, ist Blogger, PR-Berater, Dozent und Tesla-Fahrer.