Vor einigen Wochen habe ich über meinen Twitterkanal eine provokante Frage gestellt. „Die Frage ist nicht, warum ich elektrisch fahre. Die Frage ist, warum du es nicht machst?“
Den meisten liegen da gleich mehrere Antworten auf der Zunge. Die lassen sich mit drei Worten zusammenfassen: Preis, Reichweite, Ladestationen.
Ich fahre seit Juni 2013 mein eigenes Elektroauto. Damit habe ich bis heute etwa 65.000 Kilometer zurückgelegt. Ich war damit in Berlin, auf Ameland und in Schottland. Ich pendle mindestens zwei Mal im Monat zwischen Stuttgart und Mainz. Für kein Geld der Welt würde ich jemals wieder einen Verbrenner nehmen. Aber fangen wir von vorne an.
Wie bin ich zur Elektromobilität gekommen? Ich habe ein Problem: Ich fahre sehr gerne Auto. Beim Autofahren fehlt mir jegliches Sättigungsgefühl. Die Aussicht, 1.000 Kilometer fahren zu müssen, lässt mich frohlocken. Gleichzeitig weiß ich aber auch, was ein konventionelles Auto den Menschen und der Umwelt antut. So schlugen immer zwei Herzen in meiner Brust – der Spaß am Fahren und das Bewusstsein über die Folgen für Mensch und Natur.

Elektrisch unterwegs in den schottischen Highlands
Mitte 2013 konnte ich mein erstes Elektroauto beim Händler abholen
So habe ich Anfang 2012 den Entschluss gefasst: Der erste Hersteller, der mir ein bezahlbares und für meine Zwecke brauchbares Elektroauto liefern kann, bekommt mein Geld. Schon wenige Monate später kündigte Renault mit der ZOE genau so ein Auto an. Es dauerte dann bis Mitte 2013, bis ich endlich mein erstes Elektroauto beim Händler abholen konnte.
Zugegeben war das Auto damals mit über 24.000 Euro kein Schnäppchen gewesen. Hinzu kommt bei Renault eine monatliche Mietgebühr für die Batterie. Diese ist abhängig von der jährlichen Fahrleistung sowie der Vertragslaufzeit und liegt zwischen 49 und 162 Euro im Monat. Der Vorteil: Sollte die Batterie wider Erwarten kaputt gehen, muss Renault sie ersetzen.
So langsam kommt jedoch auch der Gebrauchtwagenmarkt für Elektroautos in Schwung. Vor allem aus Ländern, die wie Frankreich neue Elektroautos mit Prämien fördern, gibt es günstige Gebrauchtwagen. So bekommt man die Renault ZOE schon für um die 10.000 Euro gebraucht.
Ladezeit ist keine verlorene Zeit
Die Reichweite von 170 Kilometern im Sommer und 130 Kilometern im Winter schreckt viele ab. Für den Alltag allermeisten Menschen ist das aber vollkommen ausreichend. Dank Schnellladetechnik lassen sich die meisten Autos in 30 Minuten wieder aufladen. An einer Energiedienst-Ladesäule ist die Renault ZOE in einer Stunde wieder vollgeladen. Wenn ich nach Mainz fahre, muss ich auf halber Strecke ungefähr 25 bis 30 Minuten laden. Dabei stehe ich aber nicht rum und schaue dem Auto beim Laden zu, sondern nutze die Zeit sinnvoll. Entweder gehe ich etwas essen, kümmere mich um meine E-Mails, gehe einkaufen, lese oder ich entspanne einfach. Ich mache also Dinge, die ich sowieso tun muss. So komme ich zwar etwas später am Ziel an, habe dann aber vieles schon erledigt.
In der Regel lade ich mein Auto, während ich im Büro sitze. Mein Arbeitgeber fördert die Elektromobilität und hat daher eine Lademöglichkeit für die Mitarbeiter eingerichtet. Ansonsten nutze ich öffentliche Ladesäulen. In Stuttgart gibt es ein sehr dichtes Netz an Ladesäulen, so dass man eigentlich bei jeder Gelegenheit laden kann. Um eine geeignete Ladesäule zu finden, nutzt man am besten Stromtankstellenverzeichnisse im Web.

Irgendwo kann man sein Elektroauto immer aufladen
Elektroautos sind mehr Landauto als Stadtauto
Oft hört man den Satz, dass es sich bei Elektroautos um Stadtautos handele. Das ist aber eigentlich nicht richtig. Denn Elektroautos sind vielmehr Landautos. Je mehr Kilometer man mit dem Elektroauto fährt, desto größer ist der Spareffekt. Heutige Elektroautos bieten die ideale Reichweite für Pendler und Menschen, die im Ländlichen Raum wohnen. In Baden-Württemberg gibt es sicher keinen Ort, von dem man nicht ohne Probleme mit dem Elektroauto in die nächste größere Stadt käme. Während man dort seine Erledigungen macht, kann das Auto an einer öffentlichen Ladesäule wieder frischen Strom für die Heimfahrt tanken. Ebenso ideal ist das Elektroauto für Menschen, die weitere Strecken zur Arbeit pendeln. Dann kann das Auto während der Arbeitszeit wieder laden.
Dabei muss der Arbeitgeber natürlich mitmachen. Aber es gibt gute Argumente, die Elektromobilität der Mitarbeiter zu unterstützen. Für die Abrechnung des Stroms lassen sich auch Lösungen finden.
Ins Auto sollte natürlich nur Ökostrom. Nur dann fahren Sie nicht nur lokal emissionsfrei. Kommt der Strom noch vom eigenen Dach – umso besser. Inzwischen gibt es sehr intelligente Lösungen, das Elektroauto in die eigene Photovoltaik-Anlage einzubinden. Fahrzeuge wie der Nissan Leaf oder Mitsubishi i-MiEV können sogar als mobiler Speicher fungieren und die tagsüber von der Solaranlage geladene Energie wieder an das Haus abgeben.
Emotion statt Emission
Ein Auto ist aber natürlich kein rein rationales Vernunftprodukt. Ein Auto muss viele auch emotional ansprechen. Und wer elektrisch fährt, wird das Autofahren neu kennen und lieben lernen. Der Elektromotor ist deutlich leiser. Er verursacht keinerlei Vibrationen. Beim Elektromotor liegt ab der ersten Umdrehung das volle Drehmoment an. Da es nur einen Gang gibt, entfällt das Schalten oder Ruckeln der Automatik. Es nimmt dabei dem Autofahren alle Kompliziertheit. Es gibt im Prinzip nur noch einen An- und Ausschalter, einen Vorwärts- und einen Rückwärtsgang. Jeder, der sein Handy laden kann, wird auch das Elektroauto an den Strom anschließen können. Ein Elektroauto zu fahren macht einfach Spaß, zaubert selbst jedem Skeptiker das sogenannte „Elektroautogrinsen“ ins Gesicht.
Der Elektromotor kennt keinen Kaltstart und verzeiht jede Kurzstrecke. Es muss kein Öl gewechselt werden. Die meisten anderen Teile eines Verbrenners, die kaputt gehen können und ein schmerzliches Ziehen im Portemonnaie verursachen, gibt es nicht. Das Elektroauto bremst teils kontaktlos und regenerativ – dabei wird der Motor zum Generator, wandelt die Bewegungsenergie wieder in Strom um und lädt die Batterie. Die mechanischen Bremsen kommen nur wenig zum Einsatz. Sie halten damit deutlich länger als in einem konventionellen Auto. Wenn der Akku nicht gemietet ist, gibt es lange Garantiezeiten – oft bis zu acht Jahren. Auch danach ist ein defekter Akku kein Totalverlust. Denn wenn der Akku im Auto nicht mehr funktioniert, lässt er sich aufarbeiten und kann dann noch jahrelang als stationärer Speicher in einer Solar- oder Windkraftanlage arbeiten. Es wird also Firmen geben, die alte Akkus kaufen. Zudem fallen die Akkupreise rapide. Wenn Ihr Akku also nach Ablauf der Garantie den Geist aufgibt, kostet er zudem nur noch Bruchteil des heutigen Preises.
Das Elektroauto ist ein Auto für fast alle Lebenslagen

Die Ladezeit nutze ich sinnvoll
Ich kenne viele Familien, in denen das Elektroauto als Zweitwagen angeschafft wurde. Inzwischen rostet dort der Verbrenner in der Garage vor sich hin, weil alle nur noch mit dem Elektroauto fahren wollen. Wenn es doch mal spontan auf eine weitere Fahrt gehen muss, bieten einige Hersteller günstige oder kostenlose Mietwagen mit fossilem Antrieb. Ansonsten gibt es Carsharing, Mietwagenfirmen, Verwandte und Freunde oder die Deutsche Bahn.
Aber auch mit dem Elektroauto lässt sich in den Urlaub fahren. Ich bin vergangen Herbst bis nach Schottland gefahren. Hier muss man allerdings ein bisschen mehr umdenken. Denn der Urlaub beginnt nicht, nachdem man völlig erschöpft nach zehn Stunden auf der Autobahn am Urlaubsziel ankommt. Ein Urlaub mit dem Elektroauto beginnt schon, wenn man vor der Haustüre ins Auto steigt und los fährt. Sie werden staunen, welch schöne Orte es in Baden-Württemberg, Deutschland und Europa gibt, die uns zumeist entgehen, weil wir auf der Autobahn nur an ihnen vorbeihasten. Ich bin froh, diese Art des Reisens entdeckt zu haben und mich schon auf dem Weg zum Urlaubsziel an der wunderbaren Landschaft, in der wir leben dürfen, erfreuen zu können.
Es sprechen also viele Argumente dafür, dass das nächste Auto kein Benzin oder Diesel mehr verbrennen muss. Viele Städte in Baden-Württemberg kämpfen mit einer hohen Stickoxid- und Feinstaubbelastung. Schaffen es die Städte nicht, die Grenzwerte einzuhalten, drohen hohe Strafen durch die Europäische Union. So ist es auch in Deutschland nicht mehr undenkbar, dass es mittelfristig zu Fahrverboten für Verbrenner-Fahrzeuge in den Städten kommen kann. Elektroautos werden von diesen Verboten dann nicht betroffen sein.
Jetzt sollten Sie aber nicht sofort zum nächsten Händler eilen und ein Elektroauto kaufen. Daher habe ich einen kleinen Test erstellt, in dem Sie schnell herausfinden können, ob Sie auch schon reif für die Mobilität der Zukunft sind.
Wer braucht sich kein Elektroauto zu kaufen?
- Sie sind jeden Tag mehrere Hundert Kilometer auf der Autobahn unterwegs und hetzen von einem Außentermin zum nächsten. Sie verbringen dabei mehr Zeit in Ihrem Dienstwagen als zu Hause? Ihr Chef weigert sich, für mindestens 78.000 Euro Ihnen ein Tesla Model S zu kaufen?
–> Tja Pech gehabt, Sie werden noch ein paar Jahre einen qualmenden und stinkenden Verbrenner fahren müssen. - Sie wohnen in Neubrandenburg in einer Mietwohnung ohne Parkplatz? Ihr Chef schaut Sie an als wollten Sie seine Kinder essen, als Sie ihn fragen, ob er in der Firma eine Ladestation für Elektroautos einrichtet? Der Bürgermeister erklärt Sie für nicht zurechnungsfähig, wenn Sie sich auf der Gemeindeversammlung für eine öffentliche Ladesäule einsetzen? Die 51 Kilometer zur nächsten Ladesäule in Gessin sind Ihnen zu weit?
–> Auch Sie haben leider Pech gehabt. Wenn Sie Ihr Elektroauto nicht nur schieben wollen, müssen Sie sich ebenfalls noch etwas gedulden, bis Sie in den Genuss der Elektromobilität kommen können. - Sie führen eine Fernbeziehung? Jeden Freitag geht es nach der Arbeit 400 Kilometer zu Ihrem Schatz und Sonntagnacht wieder zurück? Sie finden Bahn fahren doof? Ihr Schatz findet Bahn fahren auch doof? Ein Auto ist für Sie kein Trennungsgrund? Ein Tesla Model S können Sie sich auch nicht leisten?
–> Dann müssen auch Sie leider auf ein Elektroauto verzichten. - Sie haben keinen Führerschein? Sie wollen auch keinen machen? Sie haben auch niemanden, der Sie chauffiert?
–> Sie können sich immerhin ein E-Bike kaufen und so elektrisch mobil sein.
Sie waren bei den Beispielen nicht dabei?
Herzlichen Glückwunsch! Auf dem Weg zum Elektroauto sind Sie schon einen bedeutenden Schritt weiter. Vorher sollten Sie aber noch ein paar Dinge klären.
Das Allerwichtigste ist: Wie bekommen Sie Strom in Ihr Auto? Am besten ist es natürlich, wenn Sie zuhause laden können. Dann kann ihr Auto nachts Kraft für den nächsten Tag sammeln. Wenn Sie zur Miete wohnen und keinen eigenen Parkplatz haben oder am Parkplatz keine Möglichkeit haben, an Strom zu kommen, müssen Sie nicht direkt aufgeben. Fragen Sie Ihren Arbeitgeber, ob er bereit ist, einen Ladepunkt für Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen einzurichten. Die Investitionskosten sind überschaubar. Der Imagegewinn als innovativer Förderer der Elektromobilität ist unbezahlbar. Ein Artikel mit Bild in der lokalen Presse ist meist garantiert. Informieren Sie sich vorher bei Ihrer Kommune oder der Landesregierung, ob sie solche Vorhaben nicht eventuell sogar fördert.
Ihr Arbeitgeber findet das alles aber eher blöd und will keine Ökospinnereien in seinem Betrieb? Dann wohnen oder arbeiten Sie hoffentlich in einer Stadt mit einer guten öffentlichen Infrastruktur. Hier hilft ein Blick in eines der vielen Stromtankstellenverzeichnisse. Sie werden überrascht sein, wo inzwischen überall Ladesäulen stehen.
Schreiben Sie einfach mal den Supermärkten und Einkaufszentren in Ihrer Umgebung und versprechen demjenigen ewige Treue, der eine Ladesäule auf seinen Kundenparkplatz stellt.
Auf den ersten Blick wirkt der Umstieg auf ein Elektroauto kompliziert und es lauert so mancher Fallstrick. Daher haben Elektrofahrerinnen und Elektrofahrer den Verein Electrify-BW e.V. gegründet. Er informiert auf regelmäßigen Treffen zu verschiedenen Themen rund um die Elektromobilität und steht unabhängig mit Rat, Tat und Tipps beim Umstieg auf die Elektromobilität zur Seite. Am Ende klingt alles viel komplizierter als es ist. Also schauen Sie ruhig mal vorbei.

Jana Höffner bloggt seit 2013 über Elektromobilität. Auch beruflich ist sie als Online- und Social Media-Redakteurin viel im Netz unterwegs. Seit 2015 ist sie zweite Vorsitzende im Verein Electrify-BW und setzt sich auch dort für die Elektromobilität ein. Ihren Ausgleich findet sie offline in der Natur – dabei am liebsten im eigenen Garten.
Also ich finde Elektroautos eine ziemlich gute Idee, die es lieber schon ein paar Jahre mehr geben sollte. Allein der Umwelt zuliebe. Hab jetzt auch mal für Kurzstrecken einen Nissan Leaf ins Auge gefasst. Die staatliche Förderung ist ja noch ganz gut
Grüsse
Gudde
Haben uns auch einen Smart Electric Drive gegönnt für die Stadtfahrten… Das Teil ist einfach super, leise und einfach top. Das Umdenken in der Gesellschaft bzgl. Elektro nimmt ja auch langsam Fahrt auf…
na ja ich weiss nicht, statt einem smart würde ich mir lieder einen Nissan Leaf holen…
Die Beispiele betreffen meinen Sohn nicht und er lebt ja auf dem Lande, so wäre für ihn ein Elektrowagen unersetzlich. Obwohl er schon seit langem einen Führerschein hat, bliebt der Neuwagen für ihn lange Zeit nur ein Traum. Diesmal ist seine Absicht schon ernst und der Vati will ja ihn auch beim Kauf unterstützen. Recht vielen Dank für die Erfahrung!