Seit 2019 betreibt Energiedienst die Wasserstoffanlage Wyhlen am Hochrhein. Nun soll das „Reallabor H2-Wyhlen“ den durch Elektrolyse gewonnenen Wasserstoff wirtschaftlich machen.
Das Thema Wasserstoff ist hochaktuell. Die Bundesregierung misst Wasserstoff eine Schlüsselrolle für die Energiewende bei. In Grenzach-Wyhlen am Hochrhein stellt Energiedienst in einer Vorzeigeanlage seit Dezember 2019 grünen Wasserstoff her. Das bedeutet: Der Wasserstoff entsteht durch Elektrolyse, bei der ausschließlich Ökostrom aus dem benachbarten Wasserkraftwerk zum Einsatz kommt. Somit stellt die Wasserstoffanlage Wyhlen „grünen“ – also umwelt- und klimafreundlichen – Wasserstoff her.
Politik will „Reallabor H2-Wyhlen“ fördern
Wasserstoff gilt als wichtiger Baustein einer CO2-freien und damit klimaneutralen Energieversorgung, wie sie die Politik anstrebt. Die Bundesregierung hat angekündigt, Konzepte zur Nutzung von Wasserstoff stärker zu fördern. 2019 hat das Bundeswirtschaftsministerium einen Ideenwettbewerb „Reallabore der Energiewende“ ausgelobt. Dabei sollen Konzepte entstehen, die Wasserstoff wirtschaftlich nutzbar und dadurch massentauglich machen. Unter den 20 Gewinnern befand sich auch das Reallabor H2-Wyhlen. Die konkrete Förderzusage steht aber noch aus.
Wasserstoffanlage Wyhlen: ein wichtiger Ansatz für die Energiewende
Was ist eigentlich Wasserstoff? Und warum ist er wichtig für die Energiewende? Wasserstoff ist mit einem Anteil von rund 90 Prozent das häufigste chemische Element im Universum. Auf der Erde tritt er überwiegend in gebundener Form auf, am häufigsten in der Verbindung Wasser (= Wasserstoff + Sauerstoff).
Diese 4 Eigenschaften machen Wasserstoff für die Energiewende so attraktiv:
- Wasserstoff hat eine höhere Energiedichte als alle anderen chemischen Brennstoffe. Ein Kilo Wasserstoff enthält so viel Energie wie etwa 2,75 Kilo Benzin.
- Wasserstoff lässt sich hervorragend speichern.
- Wasserstoff verursacht bei der Verbrennung keine schädlichen Emissionen
- Wasserstoff lässt sich auch aus Ökostrom – und damit komplett CO2-frei – produzieren
Die Wasserstoffanlage Wyhlen ist zwar zu klein, um die Energiewende meistern zu können. Sie verfolgt allerdings einen wichtigen Ansatz und ist damit eine Vorreiterin der Energiewende.
Wasserstoff aus Wyhlen macht Öko-Energie speicherbar
Die Speicherproblematik ist eine zentrale Herausforderung der Energiewende. Denn bei der Stromproduktion aus erneuerbaren Energieträgern wie Wind und Sonne können Erzeugung und Verbrauch zeitlich auseinanderklaffen. Diese Herausforderung lässt sich nur mit entsprechenden Speichern technisch beherrschen.
Bislang hat sich keines der diesbezüglichen Speicherkonzepte als praktikabel in größerem Maßstab erwiesen. Dabei bedarf es gigantischer Energiemengen, um eine Volkswirtschaft wie die deutsche zuverlässig mit Energie zu versorgen. Entsprechend große Speicher sind deswegen unumgänglich.
Die Notwendigkeit liegt auf der Hand: Bis 2050 soll die Stromproduktion in Deutschland zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien erfolgen. Schon wesentlich früher, nämlich bis 2022 bzw. 2038, sollen Kern- wie auch Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Das bedeutet: Der Anteil steuer- und planbarer Energieerzeugung wird sinken, die schwerer zu steuernde Stromerzeugung aus Wind und Sonnenenergie zunehmen. Die dafür benötigten Speichertechnologien müssen bis dahin verfügbar sein und funktionieren. Die Wasserstoffanlage Wyhlen kann hierzu Erkenntnisse liefern.
Wasserstoff als Option für die Mobilität
Eine wichtige Rolle kann Wasserstoff auch in der Mobilität spielen. Mit Wasserstoff angetriebene Brennstoffzellen arbeiten leise und sauber. Wasserstofffahrzeuge erzielen große Reichweiten und lassen sich schnell betanken. In diesen zwei Punkten sind sie aktuellen Elektrofahrzeugen voraus. Dabei ist Wasserstoff nicht nur für PKW interessant: Auch für den öffentlichen Nahverkehr, für den Lastkraftverkehr und für die Eisenbahn ist ein Antrieb mit Brennstoffzellen – also mit Wasserstoff auch aus der Wasserstoffanlage Wyhlen – eine Option.
Beim Reallabor H2-Wyhlen steht die Sektorenkopplung im Fokus
Was bedeutet Sektorenkopplung? Dieser Begriff steht für eine intelligente Verknüpfung diverser Sektoren wie Industrie, Wärmeversorgung und Mobilität mit dem Ziel, keinen Aspekt ungenutzt zu lassen, dadurch das Maximum herauszuholen. Bei der Sektorenkopplung wird nicht nur der Wasserstoff für verschiedene Einsatzgebiete genutzt: Auch die bei der Produktion entstehenden Nebenprodukte Wärme und Sauerstoff werden sinnvoll genutzt. Die Abwärme lässt sich zum Heizen verwenden, der Sauerstoff für diverse Verwendungen abfüllen. In der Sektorenkopplung sehen viele Experten die Chance, die Wirkungsgrade von Wasserstoffanlagen so zu erhöhen, dass ein wirtschaftlicher Einsatz zu einem realen Szenario wird. Gerade dies ist die Intention des Ideenwettbewerbs „Reallabore der Energiewende“. Deshalb dreht sich auch beim Reallabor H2-Wyhlen alles um Sektorenkopplung.
Wasserstoff hat noch mit Hürden zu kämpfen
Weshalb hat sich Wasserstoff als Energieträger bislang nicht durchsetzen können trotz zahlreicher Vorteile? Vor allem haben ihn diese drei Hürden bislang am Siegeszug gehindert:
- Die Verwendung von Wasserstoff ist noch nicht wirtschaftlich: Noch sind die Herstellkosten zu hoch. Sie können noch nicht mit den Herstellkosten für fossile Brennstoffe konkurrieren. Und stellt man den Wasserstoff nicht aus Gas oder Kohle her, sondern mittels Elektrolyse aus Wasser, kostet die Produktion noch einmal erheblich mehr.
- Die Wirkungsgrade des Herstellprozesses von Wasserstoff gelten noch als zu niedrig.
- Die Nachfrage nach grünem Wasserstoff ist bislang sehr gering. Der Markt dafür muss sich erst noch entwickeln.
Ziel des Reallabors H2-Wyhlen: massentauglicher Wasserstoff
Diese Herausforderungen sind eine harte Nuss. Das Ziel lautet: höhere Wirkungsgrade erzielen und die Herstellprozesse so stark verbilligen, dass sich der Einsatz von Wasserstoff wirtschaftlich lohnt und damit massentauglich wird.
Hier setzen die „Reallabore der Energiewende“ wie das Reallabor H2-Wyhlen an. Sie sollen tragfähige Geschäftsmodelle entwickeln. Dass sich 90 Unternehmen um eine Förderung beim Bundeswirtschaftsminister bewarben, macht deutlich: Das Thema Wasserstoff beschäftigt.
Land Baden-Württemberg förderte Wasserstoffanlage Wyhlen
Baden-Württembergs Landesregierung misst der Wasserstoffanlage Wyhlen hohe Bedeutung bei: Sie stufte die Power-to-Gas-Anlage als „Leuchtturmprojekt“ ein und förderte sie finanziell. Ermöglicht hat dies eine Kooperation zwischen Energiedienst und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW): Dieses betreibt auf demselben Gelände eine Forschungseinrichtung, die mit der Power-to-Gas-Anlage von Energiedienst verbunden ist. Von 6 Millionen Euro Gesamtkosten steuerte das Landeswirtschaftsministerium 1,7 Millionen Euro bei.
Wasserstoffanlage Wyhlen kann 100 PKW versorgen
Die Wasserstoffanlage in Grenzach-Wyhlen hat eine Elektrolyseleistung von einem Megawatt. Hinzu kommen 300 Kilowatt der ZSW-Forschungsanlage. Pro Stunde erzeugt die Power-to-Gas-Anlage 200 Norm-Kubikmeter Wasserstoff: ungefähr 17 Kilogramm. Pro Tag kommen 4.700 Kubikmeter (= 400 Kilogramm) zusammen. Damit ließen sich 100 Brennstoffzellen-PKW betanken. Bislang gibt es vor Ort keine Wasserstoff-Tankstelle. Der Wasserstoff aus Wyhlen kommt vorerst in der umliegenden Industrie zum Einsatz.
Umweltfreundliche Wasserstoffproduktion mittels Elektrolyse
Wie funktioniert Elektrolyse? Das Verfahren ist einfach, obwohl es eine ausgeklügelte Technik erfordert:
- Zuerst wird Wasser mit Kalilauge versetzt und dadurch leitfähig.
- Im nächsten Schritt wird das Wasser mithilfe elektrischen Stroms in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt. Durch Anlegen einer Gleichspannung sammeln sich an einer Elektrode die Wasserstoffmoleküle (Kathode) und an der anderen Elektrode die Sauerstoffmoleküle (Anode).
Nebenbei entsteht bei diesem Prozess Abwärme, welche sich ebenfalls nutzen lässt. Im Fall der Wasserstoffanlage Wyhlen ist geplant, Wohnquartiere mit der Wärme zu beheizen.
Bedeutung der Elektrolyse könnte stark zunehmen
Bislang führt die Elektrolyse ein Nischendasein: Nur fünf Prozent allen Wasserstoffs werden auf diese Weise gewonnen. Dies könnte sich angesichts der deutschen Klimaziele ändern. Auch die angestrebte Verbilligung der Produktionsprozesse könnte der Elektrolyse aus dieser Nische heraushelfen.
„Die Wasserstoffanlage Wyhlen ist ein perfektes Beispiel für Sektorenkopplung und eine Musterlösung für die Energiewelt der Zukunft.“
Energiedienst: als Vorreiter aus Tradition die Zukunft aktiv mitgestalten
Die Power-to-Gas-Anlage am Hochrhein ist einerseits Neuland für Energiedienst. Andererseits bleibt das Unternehmen mit diesem Projekt seiner Philosophie treu: Es ist ein Vorreiter der Energiewende und gestaltet aktiv die Zukunft mit. „Dieses Leuchtturmprojekt ist deutschlandweit etwas Besonderes“, sagt der Vorsitzende der Energiedienst-Geschäftsleitung, Jörg Reichert. „Außerdem sehe ich eine klare Parallele zu dem, was wir schon vor 120 Jahren leisteten. Damals haben wir in Rheinfelden ein Kraftwerk gebaut, obwohl es dort noch keine Strom-Abnehmer gab. Die Rechnung ging auf: Rasch siedelte sich Industrie an. Eine neue Stadt entstand. Heute sind wir überzeugt, dass wir mit der Wasserstoffanlage Wyhlen ebenfalls einen Markt schaffen werden – diesmal für grünen Wasserstoff.“
Reallabor H2-Wyhlen wartet auf Förderzusage
„Die Wasserstoffanlage Wyhlen ist ein perfektes Beispiel für Sektorenkopplung und eine Musterlösung für die Energiewelt der Zukunft“, sagt Jörg Reichert. Weil das Unternehmen bereits Erfahrung mit Sektorenkopplung hat (zum Beispiel Kraft-Wärme-Kopplung), lag der Entschluss auf der Hand, sich am Ideenwettbewerb „Reallabore der Energiewende“ zu beteiligen. Im Oktober 2019 reichte Energiedienst den Förderantrag bei der Regierung ein. Im Fall einer Förderung wird das Projekt über fünf Jahre laufen. Im ersten Jahr will Energiedienst ein Geschäftsmodell für das Reallabor H2-Wyhlen entwickeln. Sofern sich dieses nach einem Jahr als wirtschaftlich erweist, wird das Reallabor fortgeführt. Die Power-to-Gas-Anlage wird Energiedienst nach dem Projektende weiterbetreiben.
Jörg Reichert und das Projektteam des „Reallabors H2-Wyhlen“ sind zuversichtlich, dass der Bundeswirtschaftsminister das Konzept fördern wird. Noch für das erste Quartal 2020 rechnen sie mit der Förderzusage.
Als Referent für Kommunikation hat es André Büssers bei Energiedienst mit einer Vielzahl an Themen rund um die Energieerzeugung zu tun. „Inhalte für die verschiedenen Kanäle und Zielgruppen aufzubereiten, ist eine Aufgabe, die mir viel Spaß macht.“
Als langjäriger KWR / ED Mitarbeiter ( über 40 Jahre ) darf ich doch wohl Stolz sein auf diese Entwicklung in diesem Unternehmen. Den Betrieb dieser Anlage werde ich weiter mit Spannung verfolgen.
Ich wünsche dieser Technik Erfolg – auch für die deutsche Wirtschaft.
Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, aber nichtsdestotrotz tun,tun, tun!!!
Auch ich wünsche allen und allem viel Erfolg.
Danke und Grüsse
Werner Brombacher
Vielen Dank, Herr Marte. Wir werden weiter darüber berichten.
Viele Grüße
André Büssers
Vielen Dank, Herr Brombacher. Jeder Zuspruch spornt uns an.
Viele Grüße
André Büssers
Super geschriebener und informativer Artikel :-). Eine sehr gute Aufstellung. In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen
Vielen Dank für Ihr Lob, Herr Seidel. Wir tun unser Bestes, um unseren Lesern spannende Informationen zu bieten. Mehr zum Thema Wasserstoff finden Sie auf unserer Website: https://www.energiedienst.de/produktion/wasserstoff/power-to-gas/
Bin durch einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung Nr. 240 / 2020 auf die Versuchsanlage aufmerksam geworden. Ich vertrete schon lange, dass dies die Energie der Zukunft sein muss. Tragisch ist, dass es darüber viel zu wenig Information gibt. Je mehr die Menschen merken, welche Potenzial hierin liegt, desto mehr muss auch die Politik reagieren.
Hallo Herr Eberhard,
danke für Ihren Kommentar. Wir tun, was wir können, um das Thema bei der Politik zu platzieren. In diesem Jahr hatten wir einige Politiker zu Gast, auch aus dem Bund. Da adressieren wir unsere diesbezüglichen Anliegen immer. Mal sehen, was dabei herauskommt.
Guten Tag Herr Büssers,
wem gehört die Anlage nach dem verkünden der Resultate und Testende?
Warum hat man sich für diese Größe entschieden und nicht für eine Garagen-Anlage mit etwa 10KW für einen allfälligen Photovoltaik bei-Hausgebrauch? (Gibt es sowas schon?)
Welcher Hersteller hat die H2 Zelle geliefert, wie viel Bar Druck können maximal generiert werden?
Vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Anlage wird auch weiterhin Energiedienst gehören. Die Größe von 1 MW resultierte aus der Fördervorgabe für das Leuchtturmprojekt. Das ZSW suchte per Ausschreibung einen Partner für die Errichtung einer PtG-Anlage von mindestens 1 MW, da ab 1 MW von einer industriellen Größenordnung gesprochen werden kann. Zudem war 1 MW damals eine Standardgröße für solche Anlagen.
Der Elektrolyseur stammt von McPhy. Die Wasserstofferzeugung erfolgt bei einem Druck von rund 30 bar, die Zwischenspeicherung mit rund 300 bar. Die LKW transportieren den Wasserstoff mit einem Druck von 200 bar.
Beabsichtigt der Energiedienst die Bereitstellung von H2 für den mobilen Verkehr (PKW, Nutzfahrzeuge, Bahn) bspw. durch Mitarbeit bei der Wasserstoffinitiative ´H2 Mobility Deutschlandˋ?