Der Strom speichernde Akkumulator ist bei Elektroautos ein für die Funktion entscheidendes Bauteil, und teuer ist es obendrein. Etwa 150 bis 200 Euro kostet eine Kilowattstunde Kapazität bei einem Lithium-Ionen-Akku im Moment. Bei Kapazitäten von 30 bis zu 100 kWh, die in die gängigen Autos verbaut werden, bezahlt man also für den Akku allein 5.000 bis 20.000 Euro. Das ist zwar insgesamt erheblich weniger als noch vor fünf Jahren, als der Preis noch doppelt so hoch war, aber auch heute bleibt der Akku der entscheidende Kostentreiber bei der Preisgestaltung von Elektroautos.

Da kann es nicht verwundern, dass insbesondere dieser Bestandteil den Wert eines gebrauchten Elektroautos in Zukunft wesentlich bestimmen wird. Die aktuell benutzten Lithium-Ionen-Systeme haben nämlich eine Eigenschaft, die nicht unbedingt zum Werterhalt beiträgt: Sie verlieren verfügbare Kapazität. Konkret bedeutet Kapazitätsverlust für ein Akku-System, das meist aus vielen einzelnen Akkuzellen zusammengebaut wird sowie über eine elektronische Überwachung (ein so genanntes Batteriemanagementsystem, BMS) verfügt: Im Lauf der Zeit lässt sich damit immer weniger Ladung speichern.

Stephan Rohr

Stephan Rohr

Die „Gesundheit“ eines Akku-Systems wird von ganz unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Diese Faktoren wirken einzeln oder zusammen auf die Physik des Akkus ein und bestimmen unterschiedlich stark dessen fortschreitenden Kapazitätsverlust. All das korrekt zu berechnen, ist aufgrund der Komplexität keine Kleinigkeit, daher haben wir uns Expertenrat von Stephan Rohr eingeholt, der als Wissenschaftler an der Technischen Universität München tätig ist. Dort leitet Rohr ein Team von 10 Mitarbeitern am Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik (FTM), um der Lebensdauer von Akkus sowie deren Beeinflussung durch unvermeidliche physikalische Vorgänge bzw. vermeidbare Fehler beim Gebrauch auf den Grund zu gehen.

Die Physik eines Lithium-Ionen-Akkus

In einem Lithium-Ionen-Akkumulator aktueller Bauart wandern Lithium-Ionen je nachdem, ob der Akku geladen oder entladen wird, von der Kathode zur Anode und natürlich umgekehrt. Die beiden Spannungspole sind getrennt durch eine Separator-Membran, durch die Ionen hindurch müssen. Kobalt, Graphit, Nickel, Silicium – neben dem Lithium kommen viele Metalle in Reinform oder als Metalloxide zum Einsatz. Der elektrochemische Prozess, der sich in einem Akku vollzieht, ist nicht für alle Zeit statisch, sondern die Materialien und deren Zusammensetzungen verändern sich, reagieren miteinander und natürlich auf äußere Einflüsse.

Stressfaktor 1: Die kalendarische Zeit

Die Menge des gespeicherten Stroms verschlechtert sich bei Lithium-Ionen-Akkus auch ohne Benutzung allein mit fortschreitender Zeit. Es treten so genannte parasitäre, unumkehrbare chemische Reaktionen auf, die bei Akkus der ersten Generation sogar schnell zum Totalverlust führten. Inzwischen hat man das viel besser im Griff. Die reine Zeit spielt daher inzwischen eine geringere Rolle bei der Kapazitätsverschlechterung. Trotzdem kann man sagen: Je älter ein Akku, desto geringer seine Kapazität.

Stressfaktor 2: Die Temperatur

„Die Temperatur eines Akkus bei der Lagerung, beim Aufladen sowie beim Entladen ist entscheidend für dessen Gesundheit“, stellt Stephan Rohr fest. Temperaturen zwischen -10 und +40 Grad sind generell die absoluten Unter- bzw. Höchstgrenzen, denen ein Akku im Betrieb ausgesetzt werden sollte. Werte darunter bzw. darüber können ihn schwer schädigen. Daher verfügen Akku-Systeme in Elektroautos über eine entsprechende Temperatursteuerung. Diese sorgt dafür, dass der Akku immer richtig beheizt bzw. gekühlt wird. Aber welche Temperatur ist die optimale? Stephan Rohr: „Die optimale Betriebstemperatur für einen Akku ist die, bei der sich auch Menschen am wohlsten fühlen – knapp um die 20 Grad. Allerdings sind 10 Grad für eine reine Lagerung, wenn man ihn nicht benutzt, noch besser.“

Stressfaktor 3: Die Ladezyklen

Je öfter ein Akku geladen und wieder entladen wird, desto mehr wirkt sich das negativ auf die Kapazität aus. In der Szene der E-Autofahrer kursieren gerne Zahlen von 1.000 bis 2.000 so genannter Ladezyklen, die ein Akku unbeschadet übersteht. Danach beginne sich die Akkugesundheit zu verschlechtern. Stephan Rohr kann solche pauschalen Angaben nicht bestätigen: „Der Begriff des Ladezyklus ist nicht nur extrem ungenau, sondern auch hochgradig irreführend. Niemand weiß so ganz genau, was damit eigentlich gemeint sein soll.“ Das Problem sei: Theoretisch ist mit Ladezyklus gemeint, dass eine leere Batterie von 0 auf 100% aufgeladen wird. Ein solches 0-100-Verhalten kommt im Normalfall aber nur selten vor, weil die Akkus nie komplett entladen und in der Regel nicht zu 100% aufgeladen werden, zumindest bei Elektroautos. Die Anzahl der Ladevorgänge allein sagt daher nur wenig über deren negatives Potenzial für die Akkugesundheit aus. Es kommt eher darauf an, wie das Laden und Entladen gestaltet wird.

Stressfaktor 4: Das Laden

„Das Verhältnis von Akkugröße und Ladespannung sollte am besten den Wert von 1 C nicht überschreiten,“ erläutert Stephan Rohr. „Je geringer der C-Wert beim Laden ist, desto besser für den Akku.“ Gemeint ist damit Folgendes: Wenn der Strom beim Laden zu hoch für den Akku ist, nimmt dieser dauerhaft Schaden. Daher sollte man darauf achten, eher langsamer zu laden, also am besten mit einem möglichst geringen Strom.
Beispiele:

  • Ein neuer Nissan Leaf verfügt über einen 30-kWh-Akku. Wenn man an einer Schnellladestation mit 50 kW Leistung lädt, beträgt der C-Wert 1,66. Das Ladeverhalten stresst den Akku, aber natürlich möchte man an so einer Station nicht lange warten. Man geht also Kompromisse ein.
  • Ein Tesla Model X mit einem 100-kWh-Akku erreicht an einem unternehmenseigenen Supercharger zuweilen eine Ladeleistung von 120 kW. C-Wert: 1,2. Auch dabei wird der Akku gestresst.

Beim Aufladen mit hohen Strömen entstehen hauptsächlich Temperaturprobleme. Die Zellen überhitzen und müssen gekühlt werden.

Stressfaktor 5: Entladen

Auch die Höhe des Stroms beim Entladen kann sich negativ auf die Akkugesundheit auswirken. Wie beim Laden ist dabei die Überhitzung der entscheidende Stressfaktor für die Akkuzellen. Bei Elektroautos entstehen Entladungen mit hoher Stromstärke zum Beispiel beim Beschleunigen. Wer ständig voll aufs Fahrpedal drückt, dem regelt die Akkusteuerung schon mal die volle Strompower ab. Grund dafür ist der Umstand, dass die Kühlung gar nicht so schnell reagieren kann, wie die Zellen sich erhitzen.
Dringend zu vermeiden ist außerdem eine so genannte Tiefentladung, also das Entladen eines Akkus bis auf 0. Dabei kann die Elektrochemie des Akkus angegriffen werden.

Tipps zur Erhöhung der Lebensdauer eines E-Auto-Akkus

  • Akku immer in einem Ladestatus zwischen 40 und 80% der Kapazität halten.
  • Je langsamer geladen wird, desto besser. E-Auto-Fans müssen jetzt stark sein: Das verpönte Schnarchladen (also an der Haushaltssteckdose mit 3,5 kW) ist für den Akku von Vorteil. Entwarnung für Nutzer einer Wallbox: „Da die Akkus heute mindestens über eine Kapazität von 20-30 kWh verfügen, ist das dreiphasige Laden an einer Wallbox mit 11 kW Wechselstrom unproblematisch für E-Autos“, so die Auskunft von Stephan Rohr.
  • Akkus von Rasern haben eine geringere Lebensdauer. Wer oft volle Pulle beschleunigt, dessen Akku leidet.
  • Niemals tiefentladen!

Darauf sollten Sie bei Kauf eines gebrauchten Elektroautos achten

Da der Akku das entscheidende Bauteil bei einem Elektroauto ist, dessen „Verschleiß“ auf Grund der Verminderung der Reichweite wirklich zählt, will man als Käufer natürlich wissen, wie es um den Zustand des Akkus bestellt ist. Da wie dargestellt die Behandlung des Akkus durch den Nutzer entscheidend für dessen Zustand ist, dieses jedoch am Fahrzeug nicht offensichtlich wird, kauft man aktuell die Katze im Sack. Sicher, Angaben wie das Alter des Fahrzeugs sowie die gefahrenen Kilometer geben Auskunft über das kalendarische Lebensalter und die vermutlichen Ladezyklen. Aber hat der Nutzer den Akku immer wieder tiefentladen? Wurde viel extrem beschleunigt? Wurde oft über einem C-Wert von 1 geladen? Darüber weiß man nichts und ist auf die Aussagen des Verkäufers angewiesen. Ratsam wäre es daher auf jeden Fall, so viel wie möglich über die aktuelle Akkukapazität im Vergleich zum fabrikneuen Status zu erfahren. Werte über 10% Kapazitätsverlust lassen weitere Verluste wahrscheinlich werden und sollten den Wert des Fahrzeugs erheblich mindern.

Wie viel Kapazität verliert man eigentlich?

Da, wie gesehen, viele Faktoren auf die Akkugesundheit wirken, lassen sich zu Kapazitätsverlusten keine pauschalen Aussagen treffen. Es kommt eben darauf an. Aktuelle wissenschaftliche Studien kommen zu dem Ergebnis, dass alle untersuchten Fahrzeuge und Nutzungsszenarien einen Kapazitätsverlust von 10% nach 100.000 gefahrenen Kilometern aufweisen. „Das scheint jetzt nicht so viel zu sein,“ so Rohr, „das Problem ist jedoch, dass die Verluste ab einem gewissen Punkt exponentiell auftreten können.“ Ist der Akku also erstmal geschädigt, geht er salopp gesagt dann noch schneller den Bach runter. Zusammen mit dem Kollegen Michael Baumann hat Rohr daher ein Startup gegründet, das den Gesundheitszustand von Akkus over the air berechnen kann, zertifiziert und die Restlebensdauer prognostiziert. Eine solche Methode würde die Beurteilung von gebrauchten Akkus bei einer Zweitverwertung auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen.

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