Voller Kleiderschrank und trotzdem nichts anzuziehen? In deutschen Kleiderschränken hängen etwa fünf Milliarden Kleidungsstücke – fast die Hälfte kaum getragen. Was wir gegen den Textil-Wahnsinn tun können.
Hast Du heute auch schon verzweifelt in den Kleiderschrank geschaut und festgestellt, dass Du nicht weißt was Du anziehen sollst? Kein Wunder! Rund 117 Kleidungsstücke besitzen deutsche Frauen im Schnitt, bei Männern sind es rund 73 (Strümpfe und Unterwäsche nicht mitgerechnet). Das ist eine ganze Menge und kann schnell zu Unübersichtlichkeit und Überforderung führen. Insgesamt hängen in den Kleiderschränken Deutschlands laut einer Greenpeace Studie rund 5,2 Milliarden. Unser Konsumverhalten wird angeschürt durch Werbung, immer neue Trends und immer günstigere Preise – doch der Preis für die Umwelt ist dafür umso höher.

Etwa 60 Kleidungsstücke kauft der Ottonormalbürger jedes Jahr. Viele der neuen Errungenschaften werden dann aber gar nicht getragen.
Der Aufstieg der Fast Fashion-Industrie
In den Jahren zwischen 2000 und 2014 hat sich die weltweite Textilproduktion verdoppelt. Im Jahr 2014 wurden erstmals 100 Milliarden Kleidungsstücke produziert, das entspricht einem Umsatz von 1,8 Billionen US-Dollar. H&M Chef Karl-Johan Persson und Zara-Gründer Amancio Ortega zählen dadurch zu den reichsten Menschen der Welt. Statt wie früher zwei (oder maximal vier) Kollektionen im Jahr, bieten namenhafte Fast Fashion Ketten inzwischen bis zu 24 Kollektionen im Jahr an und in vielen Läden erscheint wöchentlich neue Ware, um den Kunden stets das Gefühl zu geben, dass der eigene Kleiderschrank schon wieder „out“ ist. Die günstigen Preise verleiten zum Kaufen, aber auch wenn das Shirt im Laden noch so günstig ist, fordert die billige Mode fern ab der Heimat einen hohen Preis von Menschen und Umwelt.

Die Auswahl an Fair-Trade Kleidung wächst. Verschiedene Siegel kennzeichnen, dass bei der Produktion gewisse soziale und ökologische Standards eingehalten werden.
Modeindustrie belastet Mensch und Umwelt
Die Modeindustrie belastet die Umwelt enorm, sie ist nach der Ölindustrie der zweitgrößte Umweltverschmutzer. Acht Prozent des globalen Treibhausgas-Ausstoßes gehen momentan auf das Konto dieses Industriezweigs. Hinzu kommen der hohe Wasserverbrauch bei der Herstellung der Materialien (z. B. die Bewässerung der Baumwollpflanzen), der Energieverbrauch bei der Herstellung der Fasern und Stoffe, die Verwendung von Chemikalien im Laufe des Produktionsprozesses, sowie die Umweltbelastung durch den Export der Kleidung und außerdem der Müll durch die Verpackungen. Doch nicht nur die Umweltbelastung stellt ein großes Problem der Fast Fashion Industrie dar, sondern auch die häufig schlechten Arbeitsbedingungen in den Fabriken. Rund 75 Millionen Menschen arbeiten weltweit in der Textilindustrie, davon sind rund 85 Prozent Frauen. Viele der Arbeiterinnen stehen in keinem offiziellen Arbeitsverhältnis, unabhängige Kontrollen fehlen und die Löhne sind meist sehr gering. In Bangladesch zum Beispiel verdienen die Arbeiterinnen circa 8 Cent pro Stunde und müssen dafür stündlich rund 250 T-Shirts produzieren. Wer mehr zu dem Thema wissen möchte, sollte unbedingt die Dokumentation The True Cost anschauen. Hier wird über die wahren Kosten der Modeindustrie aufgeklärt. Die Dokumentation ist zum Beispiel auf Netflix verfügbar.

Ein minimalistischer Kleiderschrank mit wenigen, gut kombinierbaren Teilen – das ist das Prinzip der Capsule Wardrobe.
5 Tipps gegen den Textil-Wahnsinn
Aber keine Sorge, gemeinsam können wir dem Textil-Wahnsinn Einhalt gebieten, denn wir als Konsumenten regeln die Nachfrage und können mit jedem Kassenzettel unsere Stimme für ein Produkt abgeben – oder eben auch nicht. Hier kommen ein paar Ideen wie jeder von uns etwas gegen den Fast Fashion Wahnsinn tun kann und damit gleichzeitig dem Chaos im Kleiderschrank ein Ende macht.
1. Bewusster und weniger kaufen
Wir Deutschen kaufen im Schnitt 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr, jedoch werden ca. 40 Prozent unserer Kleidung wenig bis gar nicht getragen. Die nachhaltigste und günstigste Variante wäre es also erstmal seinen eigenen Stil zu finden, dann bewusster und weniger zu kaufen und sich vor allem weniger von Trends beeinflussen zu lassen. Dabei helfen kann eine sogenannte Capsule Wardrobe. Damit ist ein funktionaler, minimalistischer Kleiderschrank gemeint, der genau auf die eigenen Bedürfnisse abgestimmt ist. Für mehr Infos rund um den minimalistischen Kleiderschrank und die Capsule Wardrobe empfehle ich das Buch Minimal Fashion von Anna Bronowski und Juliana Holtzheimer.
2. Kleidung leihen und tauschen
Wer den Kleiderschrank aufpeppen will oder etwas für einen bestimmten Anlass sucht, muss nicht immer gleich shoppen gehen. Gerade für besondere Anlässe wie Hochzeiten oder Partys landen Anzüge und Kleider nach einmal Tragen im Schrank und kommen da oft so schnell auch nicht mehr raus. Vielleicht kann ja der Kleiderschrank von Freunden Abhilfe schaffen oder auch ein Online Leihsystem für Kleidung. Bei Fairnica gibt es beispielsweise die erste Fair Fashion Capsule Wardrobe zum Mieten.
3. Second Hand
Wer gerne shoppen möchte, kann es vielleicht auch erstmal mit Second Hand-Optionen versuchen. Das spart nicht nur eine Menge Geld, sondern auch Ressourcen. Online Marktplätze wie Kleiderkreisel oder Mädchenflohmarkt bieten eine große Auswahl.
4. Fair Fashion – Öko ist sexy
Wenn schon neu kaufen, dann nach Möglichkeit fair und nachhaltig produziert. Labels, die Kleidung mit Rücksicht auf Menschen und Umwelt herstellen, gibt es inzwischen sehr viele und sie sehen definitiv überhaupt nicht mehr „öko“ aus. Auf meiner Fair Shopping Map findest du deutschlandweit Läden, die faire Mode verkaufen. Mehr Infos und Inspirationen rund um das Thema Fair Fashion findest du zum Beispiel auf meiner Seite und den Blogs My-GREENstyle, Justine kept calm and went vegan, StryleTZ oder heylilahey.
5. Textilien richtig pflegen und aufbewahren
Alles, was wir bereits besitzen, gilt es, richtig zu pflegen, damit wir möglichst lange etwas von unserer Kleidung haben. Allein die Verlängerung der Lebensdauer unserer Kleidung von einem auf zwei Jahre würde die CO2-Emissionen um ca. 24 Prozent verringern. Das bedeutet nach Möglichkeit weniger zu waschen und die Kleidung öfter nur zu lüften. Wenn gewaschen wird, dann die Waschanleitung beachten und das Waschmittel richtig dosieren. Außerdem ist es hilfreich Kleidung übersichtlich zu organisieren, damit man sieht, was man alles besitzt, und sie nach dem Tragen auch wieder richtig aufzubewahren. Pullover beispielweise leiern aufgehängt schneller aus und sollten daher gefaltet werden, während Kleider und Hemden leicht knittern und daher besser aufgehängt werden sollten.
Habt ihr schon Erfahrungen mit Fair Fashion gemacht? Was sind Eure Tipps, um Mode bewusster und nachhaltiger zu konsumieren? Hinterlasst gerne Eure Tipps in den Kommentaren.

Marisa Kohler schreibt seit Ende 2015 auf myfairladies.net über faire Mode und einen nachhaltigen Lebensstil. Auf ihrem Blog stellt sie nachhaltige Labels vor, zeigt eigene Fair Fashion Outfits und gibt Tipps für einen grüneren Lebensstil. Als studierte Pädagogin mit Nachhaltigkeits-Know-How hält sie Vorträge für ein müllfreieres Leben und berät kleine Unternehmen, sowie Einzelpersonen zu einem nachhaltigeren Alltag.
BALD IST ES WIEDER FRÜHLING! ICH FREUE MICH SCHON SEHR. ABER ERST MUSS ICH NEUE KLEIDUNG UND AUCH KLEIDER KAUFEN! ICH GLAUBE, ICH HABE DIE ‚XENIA-FIGUR‘. ICH WERDE DIES BERÜCKSICHTIGEN WENN ICH SHOPPE.
Ich versuche seit einiger Zeit, bewusster beim Klamottenkauf umzugehen. Wie Sie im Artikel schreiben, ist die aktuelle Art der Kleidungherstellung nicht nachhaltig und beschädigt die Umwelt sowie die Menschenrechte. Ich habe bereits begonnen, Second Hand Kleidung zu kaufen, aber ein Wardrobe Swap mit Freundinnen zu organisieren, ist auch eine gute Idee! Vielen Dank für den Beitrag.