Die Stadt Konstanz machte es vor: Am 2. Mai 2019 verkündete der Gemeinderat als erster in Deutschland den Klimanotstand. Über 60 Kommunen zogen seither nach, darunter Lörrach. Was bedeutet das eigentlich?
Klimanotstand in der EU
2019 war das Jahr von Fridays for Future. Mit der schwedischen Schülerin Greta Thunberg als Vorbild demonstrierten Hunderttausende auf unseren Straßen für mehr Klimaschutz. Sie forderten unter anderem die Ausrufung des Klimanotstands. Mit Erfolg! Kleinere Städte wie Konstanz oder Heidelberg machten den Anfang. Bald folgten München, Köln oder Berlin. Neben Städten reagierte das Europaparlament. Es rief am 28. November 2019 für den europäischen Kontinent den Klimanotstand aus.

Auf den Klimanotstand (Climate Emergency) wiesen zuerst australische Umweltaktivisten hin. Bild: master1305/AdobeStock
Zeichen für mehr Klimaschutz
Klimanotstand ist eine Übersetzung des englischen Begriffs Climate Emergency. Eine australische Bewegung prägte ihn. Ihr Ziel: Regierungen sollten weltweit den Klimanotstand als öffentliches Signal ausrufen und damit Regierung und Gesellschaft in einen Notfallmodus versetzen. Somit ist die Ausrufung des Klimanotstandes in erster Linie ein Mittel der Kommunikation. Sie soll bei den Menschen ein Bewusstsein für den Ernst der Lage schaffen.
Notstand ohne Gesetz
Wichtig ist: Der Begriff besitzt keine rechtlich bindende Wirkung. Somit ist er nicht gesetzlich abgesichert. Er hat also mit den Notstandsgesetzen nichts zu tun. Die Kommunen verpflichten sich mit der Ausrufung lediglich, den Klimaschutz zu priorisieren und alle Entscheidungen hinsichtlich ihres Einflusses auf das Klima zu prüfen. Da die Ausrufung auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen kann, variiert die Umsetzung in Tiefe und Details.
Wenn das Klima ins Bewusstsein rückt
Für die Stadt Konstanz bedeutet der Klimanotstand, dass bei jeder Entscheidung die konkreten Auswirkungen auf das Klima berücksichtigt werden. Das bedeutet nicht, dass immer die bessere Entscheidung für das Klima getroffen wird. Kommunale Entscheidungsträger wägen verschiedene Aspekte und Interessen ab – und können dies nach wie vor tun. Neu ist, dass den Entscheidungsträgern die Auswirkungen aufs Klima bewusst gemacht werden.
CarSharing, Bustickets und Bürgerrat fürs Klima
In der Resolution zum Klimanotstand verpflichtete sich Konstanz zu konkreten Schritten. Die Bodenseestadt arbeitet inzwischen an CarSharing-Angeboten, fördert Maßnahmen zur energetischen Sanierung und positioniert sich als „Radstadt Konstanz“. Der Oberbürgermeister gab seinen Dienstwagen ab. Für Neubauten besteht jetzt eine Solarpflicht, und die Stadt schrieb eine neue Stelle für Mobilitätsmanagement aus. Darüber hinaus gibt es Überlegungen, an Samstagen kostenlosen Busverkehr einzuführen. Auch das ÖPNV-Ticket für Einwohner zu vergünstigen und die Schaffung eines Klimabürgerrats sind in der Diskussion.

Radstadt Konstanz: Die Stadt rief als erste deutsche Kommune den Klimanotstand aus und richtet ihr Handeln verstärkt auf den Schutz der Umwelt aus. Bild: MTK Dagmar Schwelle
Freiburg geht seinen eigenen Weg
Reicht das? Die Ortsgruppe Fridays for Future Konstanz findet nein. Es könnte mit größeren und schnelleren Schritten vorangehen. Die bisherigen Maßnahmen seien wissenschaftlich gesehen zu wenig klimawirksam. Deshalb bleibt die Frage, ob der Klimanotstand etwas verändert. Viele Gemeinderäte diskutieren ausführlich – unter anderem in Freiburg. Als Green City eilt der Breisgaumetropole ihr Ruf voraus. Greenpeace erkennt an, dass Freiburgs Verkehrspolitik ein Paradebeispiel dafür sei, Alternativen zum Auto anzubieten. Schließlich würden nirgendwo mehr Verkehrswege ohne Auto zurückgelegt, gibt die Umweltorganisation in einem Ranking 2017 bekannt. 34 Prozent der Strecken innerhalb der Stadt fahren die Freiburgerinnen und Freiburger mit dem Fahrrad. 29 Prozent gehen sie zu Fuß. 16 Prozent legen sie mit dem öffentlichen Nahverkehr zurück und 21 Prozent mit dem Auto.
Ist Klimanotstand unseriös?
In Punkto Mobilität ist Freiburg Vorreiter. Mit einer ehrgeizigen Umweltpolitik und einem klaren Bekenntnis zu nachhaltigem Energiemanagement überzeugt die Stadt. Es gibt eine Vielzahl ökologischer, technischer und organisatorischer Lösungen. Wäre es da nicht naheliegend, zudem den Klimanotstand auszurufen? Nein, sagt Freiburgs Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik. Sie erläutert in einem Interview mit der ZEIT: „Würde Freiburg den Klimanotstand ausrufen, wäre das reine Symbolpolitik und unseriös. Wir haben ihn nicht ausgerufen, gerade weil wir so aktiv sind“. Die Stadt arbeite kontinuierlich am Klimaschutz und habe viele bedeutende Fortschritte gemacht, zum Beispiel durch höhere Neubaustandards oder eine hohe Sanierungsrate. Statt den Notstand auszurufen, verabschiedete der Stadtrat deshalb ein Klima- und Artenschutzmanifest.

Farbe bekennen fürs Klima: Viele deutsche Kommunen riefen inzwischen den Klimanotstand aus. Bild: motorradcbr/AdobeStock
Farbe bekennen fürs Klima
Konstanz oder Freiburg – was ist der nachhaltigere Weg? Es lässt sich schwer sagen, ob Städte im Klimanotstand mehr gegen den Klimawandel unternehmen als andere. Wahrscheinlich geht es beim Klimanotstand stärker um den symbolischen Akt. Um ein Signal an die Menschen. Es motiviert Politik und Bürger, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Ähnlich wie beim Hissen der Regenbogenflagge am Rathaus zum Christopher Street Day oder der Unterzeichnung der internationalen Charta der Vielfalt. Dabei geht es darum, Haltung zu zeigen und Farbe zu bekennen.

Claudia Frenzel, Umwelt- und Krisenmanagement: „Ich bin verantwortlich für das Umweltmanagementsystem, das heißt ich koordiniere viele umweltrelevante Aktivitäten in den Unternehmensbereichen und erstelle zusammen mit den Kollegen die Vorgabedokumente (zum Beispiel Arbeitsanweisungen). Das System soll sich kontinuierlich verbessern, unter anderem durch neue Umweltziele und Aktionen, aber auch durch Standortbegehungen und interne Audits.“