Der Sommer naht, die Tage werden länger und die Temperaturen steigen. Lebensmittel lässt man dann besser nicht mehr im warmen Kofferraum liegen. Schnell strecken die Wurstscheiben die Ohren und der Fisch verströmt einen unangenehmen Geruch. Tiefkühlware liegt alsbald in einer unappetitlichen Brühe und Bakterien und Keime breiten sich aus.

Der Wochenendeinkauf wird zur logistischen Herausforderung, die Kühltasche zum treuen Begleiter im Supermarkt. Es gilt, gekühlte Lebensmittel möglichst schnell wieder in die Kälte zu bringen. Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden, sonst leidet beim Verzehr die Gesundheit.

Schon nach zwanzig Minuten ohne Kühlung kann sich die Keimzahl in leicht verderblichen Lebensmitteln verdoppeln. Ein echter Fortschritt wäre ein autarker Kühlschrank im Kofferraum, dann hätte die Hektik ein Ende.

Das dachte sich auch der Schüler Robin Ganter, als er im letzten Sommer mit seiner Mutter auf Einkaufstour war. Der autarke Kühlschrank setzte sich als Idee bei ihm fest und wurde schließlich zu einem Jugend-forscht-Projekt.

Die Unabhängigkeit vom Stromnetz sollte aber nicht das einzige Novum bleiben, schnell gesellte sich der Gedanke einer sauerstoffarmen Atmosphäre im Bauch des Kühlschranks hinzu: der Low-Oxygen-Kühlschrank war als Theorie geboren.

Inzwischen reift der Prototyp und einige Unternehmen haben ihre Unterstützung zugesichert. Auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg hilft ihm bei der Umsetzung seiner Idee.

Zudem fördert Energiedienst das Projekt im Rahmen des Schulprogramms „Energie für Ideen“.

Robin-Ganter_web

Robin Ganter präsentiert seinen Low-Oxygen-Kühlschrank. In der linken Hand hält er die Stromquelle des innovativen Haushaltsgerätes, eine Motorradbatterie. Vorne auf dem Tisch stehen eine Flasche mit Eisenpulver für den Sauerstoffentzug und ein Glasschälchen mit Zeolithe für die Kühlung.

 Von der Idee zum Produkt

Schon bald machte sich Robin an die Arbeit, brachte die ersten Ideen zu Papier und präsentierte sie Susanne Kraft, Lehrerin am Kant-Gymnasium in Weil am Rhein und Betreuerin der Jugendforscht-AG.

Ein kleiner Kühlschrank war schnell gefunden und seiner Innereien beraubt. Nun ging es an den Wiederaufbau und die Verwirklichung einer neuen Idee. Die Atmosphäre im ganzen Kühlschrank sollte möglichst sauerstoffarm sein, um Verwesungsprozesse deutlich zu verlangsamen.

Viele Mikroben sind für ein Wachstum auf Sauerstoff angewiesen, sie haben in einer sauerstoffarmen Umgebung schlechte Karten. Gleichzeitig wird die Oxidation zahlreicher Vitamine und Nährstoffe auf diese Weise erheblich verlangsamt.

Der Test mit den Apfelschnitzen

Mit Apfelschnitzen prüfte der Tüftler die Theorie. Dazu lagerte er das Obst in Luft, Kohlenstoffdioxid und Stickstoff. „Die Apfelstücke in Luft waren nach einer Woche verfault und haben ziemlich streng gerochen“, erinnert sich Robin.

Die Apfelschnitze in Kohlendioxid sahen noch recht frisch aus, die in Stickstoff präsentierten sich nahezu unverändert. „Nicht umsonst ersetzen die Landwirte bei der Lagerung ihrer Äpfel die Luft durch ein Gas“, weiß Robin.

Die Idee der Sauerstoffreduktion ist freilich nicht neu, in Öl eingelegte Antipasti oder vakuumverpackte Lebensmittel setzten etwa auf diese Methode. Auch Kühlschränke mit Vakuumschubladen sind längst auf dem Markt.

Low-Oxygen-Einheit

Die Low-Oxygen-Einheit befindet sich auf der Rückseite des Kühlschranks. In dem Kasten ist ein Gemisch aus Eisenpulver, Kochsalz und Aktivkohle. Aus der Flasche darüber wird der Einheit bei Bedarf Wasser durch dünne Röhrchen zugeführt. Über zwei Schläuche kann die Luft aus dem Innenraum in den Kasten strömen. Das Eisenpulver oxidiert und verbraucht den Sauerstoff. Wird die Wasserzufuhr gestoppt, endet die Reaktion.

Neu ist jedoch die Idee, dem kompletten Innenraum eines Kühlschranks den Sauerstoff weitgehend zu entziehen. Dafür setzt Robin auf eine Oxidations-Reaktion, wie man sie beispielsweise von Einmal-Handwärmern kennt.

Beim Low-Oxygen-Kühlschrank oxidiert in einer geschlossenen Box auf der Rückseite Eisenpulver mit dem Luftsauerstoff aus dem Innern des Kühlschranks. Als Katalysatoren dienen Kochsalz und Wasser; Aktivkohle speichert das Wasser.

Nach nur rund einer Stunde Betriebszeit ist die Sauerstoffkonzentration im Kühlschrank bereits auf etwa zwei Prozent gesunken, eine weitere Absenkung auf nahezu Null ist bei längerer Dauer möglich.

Jede Menge Fummelarbeit

„Besonders kniffelig gestaltete sich die Wasserzufuhr“, erinnert sich Robin. „Dafür musste ich Löcher mit einem Durchmesser von lediglich 0,2 Millimetern in dünne Messingröhrchen bohren.“

Tatkräftige Unterstützung erhielt er dabei von seinem Großvater, dessen Drehbank wertvolle Dienste bei den Bastelarbeiten leistete.

Gesteuert wird die Wasserzufuhr über ein Sauerstoffmessgerät, das den Sauerstoffgehalt im Innenraum überwacht. Die Oxidation des Eisenpulvers ist eine exotherme Reaktion. Die freiwerdende Reaktionswärme wird beim Low-Oxygen-Kühlschrank noch an die Umwelt abgegeben.

Nun arbeitet der Schüler aber daran, die Wärme mittels Peltier-Elementen in Strom umzuwandeln und der Kühlschrankbatterie zuzuführen.

Einmal schleusen bitte

Ein weiteres entscheidendes Ausstattungsmerkmal des Low-Oxygen-Kühlschranks ist seine Luftschleuse. Sie verhindert, dass beim Öffnen der Kühlschranktür Luft in den Kühlraum einströmt und den Sauerstoffgehalt wieder erhöht.

„Dazu haben wir das komplette Dämmmaterial aus dem Gehäuse entfernt und Platz für Luftkanäle geschaffen. Die Luftkanäle enden an Schlitzen im Türrahmen“, sagt Robin. „Schließlich haben wir den Kühlschrank mit einem Montageschaum neu gedämmt. Das war eine Riesensauerei.“

Luftschleusen findet man üblicherweise an den Eingängen von Kaufhäusern, dort sollen sie vor allem kalte Luft draußen halten. Die Luftschleuse am Low-Oxygen-Kühlschrank funktioniert nach demselben Prinzip. Ein Ventilator baut eine Barriere aus strömender Luft auf und verhindert den Austausch der Luft im Innern mit der Außenluft.

Luftschleuse

Durch die Schlitze im Rahmen strömt die Luft der Luftschleuse, die die sauerstoffreiche Luft vom Kühlschrankinnern fernhält.

Zeolithe und Wasser – mehr braucht es nicht

Derzeit arbeitet Robin am Herzstück des Kühlschranks: der Kühlung.

Dafür will er die Verdunstungskälte von Wasser nutzen. Für den Kühlprozess benötigt er Zeolith, das aufgrund seiner porösen Struktur große Mengen von Wasserdampf durch Adsorption aufnehmen kann.

Zeolithe sind kristalline MetallAlumo-Silikate mit großen inneren Oberflächen. Das Wasser für die Kühlung wird sich in einem Verdampfer innerhalb des Kühlschranks befinden und über ein Ventil mit dem Zeolithbehälter außerhalb des Kühlschranks verbunden sein.

Bei geöffnetem Ventil wird das Zeolith den Wasserdampf „absaugen“ und unter Abgabe von Wärme einlagern. Die Verdampfungskälte wird das restliche Wasser weiter abkühlen. Der Prozess läuft, bis entweder das Ventil geschlossen wird oder das Zeolith seine Aufnahmegrenze erreicht.

Durch Erhitzen kann das Wasser schließlich wieder aus den Poren des Zeoliths entfernt werden, ohne dass sich die Zeolithstruktur ändert. Dem Kühlschrank werden zwei Kühlakkus zum Wechsel beiliegen. Der eine ist in Betrieb, der andere kann in dieser Zeit reaktiviert werden. Wie genau, bei welchen Temperaturen und unter welchen Bedingungen ist derzeit noch unklar.

Der Zyklus aus Adsorption und Desorption kann beliebig oft wiederholt werden. Die Zeolith-Wasser-Technologie kennt man vom selbstkühlenden Bierfass.

Inzwischen unterstützt auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg die Arbeit des Tüftlers aus dem Markgräflerland. Dr. Stefan Henninger vom ServiceLab Thermochemical and Porous Materials sagte dem Schüler Unterstützung bei seiner Arbeit zu.

Ein Schwerpunkt des ServiceLabs liegt in der Evaluierung und Charakterisierung von porösen Materialien wie beispielsweise Zeolith für Sorptionsanwendungen. „Wenn mein RG Fresh Revolution fertig ist, werde ich ihn in Freiburg bei Jugend-Forscht präsentieren und wer weiß, vielleicht ergeben sich daraus neue Kontakte“, so Robin.

Steuerung

Beim Aufbau der Elektronik für die Steuerung des Kühlschranks half ein befreundeter Elektriker.

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