Ein Wasserkraftwerk läuft und läuft und läuft. Damit das so bleibt, prüfen Tim Schöne und sein Team das Kraftwerk in Mambach alle zwei Jahre von Grund auf. Für die Revision muss das Wasser weichen.

Tim Schöne steigt die Leiter sechs Meter in die Tiefe. Ich sitze auf dem Förderband der Rechenreinigung, schwinge mich unter einem Rohr durch und folge ihm. Vorbei geht es an den Gitterstäben des Feinrechens, an denen sonst Blätter und Äste hängen bleiben. Unten im Stollen steigt er durch eine Mulde voller Sand.

Ein Strahler wirft spärliches Licht auf den Kanal, der sich in den Felsen windet. Mit seiner Taschenlampe leuchtet Tim in den Tunnel. Schnell verliert sich der Lichtkegel in der Tiefe. Die scharfen Kanten im Gestein zeugen davon, wie mühsam die Arbeiter vor über 120 Jahren den Weg durch den Berg bahnten. Fehlen nur noch die Gleise und Loren hinter der nächsten Tunnelbiegung. Doch in Mambach regiert nicht die Kohle, sondern die Kraft des Wassers.

Tim Schöne zeigt den Stollen, der für die Revision wasserfrei ist.

Tim Schöne, Leiter Kleinkraftwerke bei Energiedienst, zeigt das Ende des vier Kilometer langen Kanals. Normalerweise fließt hier das Wasser vom Stauwehr in Fröhnd-Kastel ins Wasserschloss beim Kraftwerk Mambach. (Foto: Energiedienst)

 

Tim Schöne steigt runter in den Stollen am Rechen vorbei.

An den Gitterstäben des Feinrechens bleiben Blätter und Äste hängen, die das Wasser mit sich führt. (Foto: ARTIS-Uli Deck)

 

Energie aus der Region

„Wo wir jetzt stehen, ist normalerweise alles voll mit Wasser“, erzählt mir Tim. Seit Februar leitet der 36-Jährige das Team Kleinkraftwerke bei Energiedienst. Mit fünf Mitarbeitern betreut er von Mambach bei Zell im Wiesental aus die 14 Kleinkraftwerke im Südschwarzwald. Zur Wasserkraft kam der Elektromeister zufällig, obwohl er fast um die Ecke in Gresgen wohnt. Unverhofft fand er seinen Traumjob. „Mir macht meine Arbeit viel Spaß. Wir erzeugen Energie hier in der Region, die absolut sauber ist. Die Kraftwerke funktionieren schon über 100 Jahre. Welche Technik kann das von sich behaupten? Darauf bin ich stolz“, sagt Tim.

Das Wasserkraftwerk Mambach ist eines der 14 Kleinkraftwerke von Energiedienst.

Das Wasserkraftwerk Mambach ist eines der 14 Kleinkraftwerke, die Tim und sein Team betreuen. (Foto: ARTIS-Uli Deck)

 

Druck mal Durchfluss gibt Ökostrom

Seit 1898 treibt das Wasser aus dem Fluss Wiese die Turbinen in Mambach an. Im vier Kilometer langen Stollen fließt es vom Stauwehr in Fröhnd-Kastel ins Wasserschloss. Für ein Schloss ist das unscheinbare Häuschen sehr nüchtern. Unzählige Spinnen fühlen sich darin wohl. Hier befinden sich der Rechen, die Reinigungsmaschine sowie Förderbänder, die Laub und Äste über eine Rampe den Hang hinunterbefördern. Alles lässt sich bequem über ein Touchpanel im Gebäude von 1907 steuern.

Die Magie des Wasserschlosses liegt in der Physik. Das kleine Häuschen steht oberhalb des Kraftwerks am Hang. „Von hier stürzt das Wasser durch ein Druckrohr 37 Meter herunter und treibt im Maschinenhaus die Turbinen an. Der Druck mal den Durchfluss ergibt die Leistung. In Mambach sind das 3,7 bar und rund 3,4 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, die eine Leistung von 1.152 Kilowatt ergeben“, erklärt Tim. Damit erzeugt das Kraftwerk jährlich sechs bis sieben Millionen Kilowattstunden Ökostrom, mit denen es ca. 2.000 Haushalte versorgt. Wie alle Wasserkraftwerke, läuft es in der Regel das ganze Jahr. Daher leisten sie einen wichtigen Beitrag, dass wir zuverlässig Strom haben.

Vom Wasserschloss am Hang stürzt das Wasser zu den Turbinen im Maschinenhaus.

Das Wasserschloss steht oberhalb des Kraftwerks am Hang und sorgt für 37 Meter Fallhöhe des Wassers. (Foto: ARTIS-Uli Deck)

 

Im Wasserschloss lässt sich die Anlage über ein Touchpanel steuern.

Im Wasserschloss lässt sich alles über ein Touchpanel steuern. (Foto: ARTIS-Uli Deck)

 

Revision: Kraftwerk auf dem Trockenen

Wer so verlässlich arbeitet, braucht mal eine Pause für die Pflege und Wartung. Alle zwei Jahre steht die große Revision der kompletten Kraftwerksanlage im Sommer an. Im August ist der Wasserstand meistens niedriger als im Rest des Jahres. Doch für die Generalrevision muss das Kraftwerk zwei Wochen ganz auf dem Trockenen liegen. Wie funktioniert das? Stöpsel ziehen, wie in der Badewanne? Und was ist mit den Fischen im Fluss? „Damit die Fische in der Wiese von den Arbeiten unbehelligt bleiben, haben sie Günter Waßmer von der Fischereiaufsicht und seine Helfer bereits vor dem Ablassen des Wassers geborgen. Anschließend senken wir den Staupegel kontrolliert. Das Wasser fließt über die Wiese langsam ab und wir schließen den Stolleneingang“, antwortet Tim.

Für die Revision haben die Kraftwerke das Wasser im Stauwehr abgelassen.

Tim und Joey (rechts) beim Stauwehr in Fröhnd-Kastel: Wegen der Revision liegt die Hälfte des Flussbetts auf dem Trockenen. (Foto: Energiedienst)

 

Stollen Check-up

Jetzt beginnt die Arbeit der sechs Kraftwerksmitarbeiter und eines Monteurs. Zunächst steigen Tim und sein Kollege Joey Tomac mit Schutzhelm, Stirnleuchte und Taschenlampe in den Stollen. Sie gehen den vier Kilometer langen Kanal ab und prüfen ihn auf Risse und Schäden. Nach zwei Stunden erreichen sie das andere Ende des Tunnels. Die beiden klettern aus dem Schacht beim Stauwehr. Ist was? „Alles ist in Ordnung. Es liegen auch keine größeren Steinbrocken drin“, sagt Tim und schließt den Ausstiegsschacht mit dem Gullideckel.

Für die Revision des Stollens steigt Tim Schöne den Schacht runter in den Stollen.

Tim und Joey steigen beim Stauwehr runter in den Stollen. Sie prüfen den vier Kilometer langen Kanal auf Schäden und Risse. (Foto: Energiedienst)

 

Stauwehr warten und pflegen

Über der Erde nehmen Markus Stiegeler und Harry Grether die nun wasserfreie Stauwehranlage unter die Lupe. Die Hälfte des Flussbetts sieht aus wie ausgedorrt. Die zwei Kraftwerker inspizieren den Rechen und die Reinigungsmaschine. Daneben reparieren sie die Heizung in einem der Wehrpfeiler, die dafür sorgt, dass im Winter die Wehrschwelle nicht zufriert. „Außerdem reinigen und kalibrieren wir Pegelmess-Sonden neu, die den Wasserstand am Wehr automatisch steuern“, sagt Tim. Schließlich ist „Abschmieren“ angesagt: Die Kraftwerksmitarbeiter ölen, was es nötig hat.

Die Kraftwerker bereiten ihren Einsatz beim Stauwehr vor.

Harry (links) und Markus packen Material und Werkzeug für ihren Einsatz am Stauwehr zusammen. (Foto: Energiedienst)

 

Turbineninspektion: Maschinen komplett zerlegen

Wir gehen zurück ins Herz des Kraftwerks – ins Maschinenhaus. Drinnen ist es ungewohnt ruhig, denn die beiden Francis-Maschinen stehen still. Wo wir sonst gegen den Lärm anschreien müssten, klappert heute nur ein Schraubenschlüssel. Daniel Parigger hat bereits eine Maschine fein säuberlich zerlegt. Mit Spezialwerkzeug ist der Monteur der Firma Troyer aus Sterzing in Südtirol angereist. Das Laufrad hängt am Portalkran und gibt den Blick frei auf die Schaufeln des Leitapparats, der den Wasserzufluss zur Turbine reguliert. Gewissenhaft arbeitet der Techniker seine Listen ab: Er prüft die Einstellung des Leitapparats, kontrolliert die Steuerhydraulik, tauscht Filter und Öle… „Hallo Daniel, wie kommst Du mit der Arbeit voran?“, erkundigt sich Tim. „Die Turbine ist in gutem Zustand. Das Laufrad habe ich schon saubergemacht. Auch die Wellendichtung sieht gut aus“, antwortet der Monteur.

Bei der Revision prüfen die Kraftwerker den Leitapparat.

Im Maschinenhaus begutachten Joey, Patrick, Tim und Monteur Daniel (von links) den Zustand des Leitapparats. (Foto: Energiedienst)

 

Monteur Daniel kontrolliert das Laufrad der Turbine.

Daniel prüft das Laufrad. (Foto: Energiedienst)

 

Wasser marsch!

Nach anderthalb Wochen sorgfältiger Inspektion ist das Kraftwerk wieder einsatzbereit. Fehlt nur noch das Wasser. „Jetzt öffnen wir den Stolleneingang wieder und stauen das Wasser langsam über zwei Tage an. Wir machen das vorsichtig, um die Ökologie und die anderen Kraftwerksanlagen an der Wiese nicht zu beeinträchtigen“, erklärt Tim. Er macht noch mit Patrick Zimmermann ein paar Testläufe, bis die Maschinen mit wenigen Tastendrucken wieder am Netz sind. Im Kraftwerk geht alles wieder seinen gewohnten Gang. Bis zum nächsten Mal.

Im Stollen stauen die Kraftwerker langsam das Wasser auf.

Am Ende der Revision stauen die Kraftwerker das Wasser wieder langsam im Stollen auf. (Foto: Joachim Hirschfeld).

 

Nach dem Abschluss der Revision gehen die Maschinen wieder ans Netz.

Nach anderthalb Wochen Inspektion freut sich Tim, dass die beiden Maschinen wieder Strom produzieren. (Foto: ARTIS-Uli Deck)

 

 

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