Wer in den letzten Wochen zwischen Zell im Wiesental und Schönau unterwegs war, hat sich vielleicht über ein kleines Zelt unter einem Hochspannungsmast gewundert. Oben weiß und unten gelb, stand das Zelt an verschiedenen Stellen, immer jedoch am Fuße eines Strommastes. Von der Mastspitze führten zwei Leitungsseile in das Zelt.
Ein ungewöhnlicher Ort zum Zelten, mag man denken. Doch weit gefehlt, denn hier wird gearbeitet.
Es ist noch nicht lange her, da waren Freileitungsmonteure auf den Masten der 110-kV-Hochspannungsleitung vom Umspannwerk Zell im Wiesental zum Umspannwerk Schönau im Einsatz. Auf den Feldern darunter standen Kabeltrommeln und Seilwinden.
Die Hochspannungsleitung erhielt ein neues Luftkabel. Das alte Kupferkabel wurde durch einen modernen Lichtwellenleiter ersetzt.
Die Enden der 14 Teilstücke der insgesamt 15 Kilometer langen Leitung hingen in weiten Bögen von den Mastspitzen herab und endeten etwa drei Meter über dem Boden. Miteinander verbunden waren die Kabel bislang nicht, das wird jetzt gemacht.
Dafür haben Obermonteur Stefan Bongard und sein Kollege Rasoul Dadkah Tehrani von der LWLcom ihr Zelt aufgeschlagen.
Das Spleißen, also das Verbinden der Glasfasern, ist eine Kunst für sich. Dafür werden neben dem technischen Know-how spezielle Werkzeuge und viel Fingerspitzengefühl benötigt.
Der neue Lichtwellenleiter enthält insgesamt 144 optische Fasern. Diese sind in drei kompakten Bündeln aus rostfreien Edelstahlröhrchen zu je 48 Glasfasern zusammengefasst. Einen Teil der Fasern verwendet der Zweckverband Breitbandversorgung Landkreis Lörrach für die Versorgung der Region mit schnellem Internet, hauptsächlich nutzt die ED Netze GmbH die Lichtwellenleiter für die Fernüberwachung und Steuerung des Stromnetzes.
„Ich mache das schon seit 30 Jahren“, sagt Stefan Bongard und widmet sich wieder seinem Spleißgerät. Die Arbeit erfordert seine ganze Aufmerksamkeit. Neben einer ruhigen Hand benötigt man vor allem gute Augen, um die unterschiedlich gefärbten Fasern auseinander halten zu können. „Da darf man nicht farbenblind sein“, scherzt der Monteur.
Bevor Stefan Bongard allerdings mit dem eigentlichen Spleißen beginnen kann, musste er mit dem „Schraubschlüssel auf dem Mast rumturnen“. Auch das gehört zur Arbeit der Monteure.
Stefan Bongard und Rasoul Dadkah Tehrani sind extra aus Bremen angereist. Rund vier Wochen arbeiten sie an der Leitung. Es gibt wenige Spezialisten wie sie.
Neben den 14 Verbindungsstellen entlang der Leitung gibt es mehrere Abzweige mit Glasfasern für den Zweckverband, darunter zwei größere Abzweige, bei denen insgesamt über 200 Fasern gespleißt werden müssen.

Stefan Bongard entnimmt die Glasfasern aus den Kassetten der Kabelmuffe, um sie anschließend spleißen zu können.
Die Glasfasern sind sehr empfindlich, dementsprechend vorsichtig gehen die beiden zu Werke. Der lichtleitende Faserkern hat einen Durchmesser von lediglich neun Mikrometern. Er ist umgeben von einer Schutzschicht und einer 125 Mikrometer dicken Hülle.
Die Glasfaserleitungen des ankommenden und des abgehenden Kabels enden in einer Glasfasermuffe, in der die zusammengehörigen Fasern in klappbaren Kassetten in großen Schlaufen aufgefädelt sind.
Bevor jeweils zwei haarfeine Faserenden mit einem Lichtbogen dauerhaft verbunden werden können, müssen die Monteure mit einem Absetzwerkzeug erst einmal die Schutzschichten entfernen. Dann werden die Fasern gereinigt und mit einem Diamantschneider sauber abgeschnitten bzw. gebrochen.
Die Faserenden müssen möglichst eben und rechtwinklig zur Faserachse sein, um die Spleißdämpfung zu minimieren.
Schließlich werden die Faserenden mit einem Lichtbogen in einem Spleißgerät mit Kernzentrierung in drei Achsen dauerhaft transparent verschweißt. „Wir arbeiten mit Geräten der Firma Fujikura, das sind die besten“, sagt Stefan Bongard.
Es entsteht eine Verbindung ohne Spalt und Einschlüsse. Auf einem Bildschirm kann dieser Vorgang verfolgt werden. Der fertige Spleiß wird noch im Gerät analysiert und die Dämpfung gemessen.
Auch wenn die Spleißverbindung eine verlustarme Verbindungsmethode ist, können an der Verbindungsstelle dennoch Koppelverluste (Verminderung der optischen Signalleistung) auftreten, etwa durch Versatz oder Reflexionen.
Dabei wird die Dämpfung in Dezibel (dB) angegeben, wobei 0 dB keine Dämpfung bedeutet und bei 3 dB die Leistung auf die Hälfte abfällt. Gute Verbindungen erreichen Werte von lediglich 0,02 dB; aber auch Werte von 0,1 dB sind in Ordnung.
Jetzt muss die Spleißverbindung noch geschützt werden. Dann kommen die miteinander verbundenen Fasern zurück in die Glasfasermuffen. Rasoul Dadkah Tehrani und Stefan Bongard können jetzt mit ihrem Zelt weiterziehen.

Diplom-Physiker Ingo Fleuchaus macht mit seiner PR-Agentur textdirekt seit mehr als zehn Jahren Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für Kunden aus der Energiebranche. Die Schwerpunkte bilden Themen aus den Bereichen Energieversorgung, Erneuerbare Energien, Elektromobilität und Forschung.
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Interessanter Bericht. Gut beschrieben.