Als diese Frage eines NaturEnergie-Kunden den Weg auf meinen Schreibtisch fand, war ich nicht sonderlich verwundert. Als bekennender Veganer verheimliche ich meine Essgewohnheiten selbst in schwierigem Umfeld nicht (z.B. maskuline Männerrunde am Grill) und ertrage auch mit viel Humor und großem Herz die immer gleichen Witze von Familie und Freunden.

Beispiel? Der hier ist mein Favorit: „Wenn Du an einer frisch gemähten Wiese schnupperst, empfindest Du dann das gleiche wie ich, wenn ich an einer Dönerbude vorbeilaufe?“

Und so unkte es auch gleich hinter diversen Bildschirmen in unserem Büro hervor, ob man unseren Strom denn essen könne, oder was der Kunde damit anstellen wolle. Willkommen im Tal der Unwissenden… Sicher, das auffälligste am Veganer sind seine Essgewohnheiten, die Definition von Veganismus reicht aber weitaus tiefer in unser Handeln hinein. Als vegan bezeichnet man alles was ohne die Nutzung bzw. Ausbeutung von Tieren auskommt.

 

Wie geht vegan überhaupt?

Bei der Ernährung heißt das kein Fleisch, keine Milch, keine Eier, kein Honig. Oder um es positiv zu formulieren: Ich ernähre mich von Pflanzen. Bei der Kleidung heißt das kein Leder, kein Pelz, keine Wolle, keine Daune, keine Seide. Im Übrigen heißt das kein Zirkus mit Tiershow, kein Zoo, kein Aquarium, kein Reitsport…

Am weitesten gehen die Jains in Indien. Der Jainismus ist die dritte indische Hochreligion neben dem Buddhismus und Hinduismus. Er hat heute weltweit 4,4 Millionen Anhänger. Um nicht versehentlich auf Insekten zu treten, fegen die Jain-Mönche beim Gehen mit einem Besen vor sich her. Tücher vor dem Mund verhindern das Einatmen von Kleinstlebewesen.

Jain-Tempel in Palitana, Indien.

Extrem? Ja, finde ich auch. Allerdings auch sehr konsequent und friedfertig. Von solchen Menschen sind keine Sprengstoffgürtelattentate zu befürchten.

Wie jede Gesinnung lässt sich also auch der Veganismus auf die Spitze treiben und mit steigendem Gesinnungswahn steigt auch die soziale Unverträglichkeit der jeweiligen Person mit dem Rest der Gesellschaft. Deshalb sucht sich ein Veganer in aller Regel einen Mittelweg, der zu seinem Umfeld und seiner Lebensrealität passt.

 

Und im Alltag?

So esse ich z.B. ab und zu ein Honigbrot und einmal im Jahr am höchsten Fest der Christenheit ein paar Eier. Ich trage nach wie vor Lederschuhe, versuche aber bei neuen darauf zu achten, Leder zu vermeiden. Für die Ausflüge mit unseren Kindern gibt es genügend Zirkusse ohne Tiershow und in den Zoo gehen wir trotzdem…

Vegan im Alltag: Kürbis-Spinat-Lassagne.

An dieser Stelle kommt oft folgender Einwand: „Ja, wenn Du es nicht voll durchziehst, dann lass es doch gleich bleiben, die Welt wird dadurch eh nicht besser. Außerdem fährst du ja auch ein Diesel-Auto, du Moralapostel.“

Was kannst Du denn überhaupt noch essen? Grillteller vegan…

Es geht aber nicht um moralischen Perfektionismus, sondern darum in weiten Teilen seines Handelns das zu tun, was man für richtig hält. Und wie jeder der eine Gesinnung hat, so muss auch ich mich der Realität anpassen, sonst werde ich zum Fundamentalisten. Über die Emissionen meines Autos bin ich auch nicht glücklich, aber das hat einerseits nichts mit Tieren zu tun und andererseits kann ich die Einkäufe für eine fünfköpfige Familie auch nicht nach Hause tragen!

Veganes Sonntagsessen für die ganze Familie: Kohlroulade.

 

Kann Strom nicht vegan sein?

Nun aber zurück zur eingangs gestellten Frage: Ist NaturEnergie vegan? Der Strom, den Privatkunden von Energiedienst beziehen, stammt zu 100% aus Wasserkraftwerken in Deutschland und der Schweiz.

Beim Bau solcher Anlagen wird im Vorfeld eine Umweltverträglichkeitsprüfung unternommen, auf deren Grundlage dann ökologische Aufwertungsmaßnahmen erarbeitet und umgesetzt werden. Rund um das Wasserkraftwerk Rheinfelden sind es beispielsweise 80 Maßnahmen von der Biberburg bis zum naturnahen Fischaufstiegs- und Laichgewässer.

Naturnahes Fischaufstiegs- und Laichgewässer am Wasserkraftwerk Rheinfelden.

Über behördlich vorgeschriebene Monitorings werden diese Maßnahmen dann von unabhängiger Stelle auf ihre Funktionalität geprüft. So stellten wir fest, dass das Fischaufstiegs- und Laichgewässer am Kraftwerk Rheinfelden beim letzten Monitoring (Anfang April 2016 bis Ende März 2017) rund 50.000 Fischen den Aufstieg ermöglichte.

 

Viele Maßnahmen

Beim Abstieg werden die Fische an unseren Kleinkraftwerken (z.B. im Wiesental) durch Feinrechen vor dem Eintritt in die Turbine geschützt und über so genannte Bypässe an den Turbinen vorbeigeführt. Außerdem setzen wir fischfreundliche Schneckenturbinen ein, die den gleichen Effekt haben. Die realisierten Abstiegsanlagen wurden im Rahmen einer Studie des Regierungspräsidiums Freiburg geprüft und für sehr funktionstüchtig befunden.

Bei den großen Rheinkraftwerken ist der Einbau von Feinrechen aufgrund der großen Wassermengen technisch nicht realisierbar. Daher erfolgt der Fischabstieg über das Umgehungsgewässer, das Stauwehr und die Turbinen. In den Rheinkraftwerken sind die Turbinen groß und drehen langsam, so dass diese als sehr fischfreundlich gelten. Leider können Verletzungen insbesondere bei großen Fischen nicht gänzlich ausgeschlossen werden, da derzeit noch geeignete technische Lösungen fehlen, um Fische an der Turbinenpassage zu hindern.

Wasserkraftschnecken am Kraftwerk Hausen im Wiesental.

Deshalb hat Energiedienst gemeinsam mit den anderen Kraftwerksbetreibern an Hochrhein und Aare eine wissenschaftliche Studie an der ETH Zürich beauftragt, die in Zusammenarbeit mit Umweltverbänden und Fachbehörden Erkenntnisse liefern soll, den Abstieg für Fische über Schutzeinrichtungen auch an größeren Wasserkraftwerken gefahrlos zu ermöglichen.

Diese Studie wurde 2015 abgeschlossen. Aktuell läuft ein Folgeprojekt für ein Pilotprojekt zur Realisierung zweier Fischabstiegsanlagen an großen Kraftwerken. Bei allen Projekten und Maßnahmen sind Fachbehörden der Fischerei sowie Umweltverbände beteiligt.

 

Strom mit eingebautem gutem Gewissen

Nun gibt es Anbieter, die explizit veganen Strom verkaufen. Dabei wird ausschließlich Strom aus Photovoltaikanlagen angeboten, weil dieser bei der Erzeugung keine tierischen Kollateralschäden verursache. Atom-, Kohle-, Wind- und Wasserkraft werden mit der Begründung abgelehnt, dass diese Erzeugungsarten in irgendeiner Art und Weise Tieren Schaden zufügten.

Sei es durch Emissionen oder durch rotierende Turbinen. Bei einer so strengen Definition hoffe ich jedoch, dass die Verantwortlichen weder Flug- noch Bahnreisen unternehmen. Denn so ein ICE hält nicht, wenn ein Hase über die Gleise hoppelt.

Etwa zwei Drittel der in Deutschland installierten Solarmodule kommen aus chinesischer Produktion. Dort wird das zur Herstellung notwendige Silizium hauptsächlich mithilfe von Strom aus Kohlekraftwerken aus Quarzsand extrahiert. Im weiteren Herstellungsprozess nutzen die Hersteller Säuren und Laugen. Zur elektrischen Ausrichtung bringen sie Phosphor und Bor in die Zellen ein. Alle diese Chemikalien finden sich später in den Abwässern der Fabriken wieder. Das Problem ist also lediglich global verlagert.

Zudem ist eine flächendeckende Versorgung mit nur einer Erzeugungsart (z.B. Photovoltaik) nicht möglich. Nur im Verbund mit den anderen sind die einzelnen regenerativen Energien praktikabel.

Solche Angebote haben also einen gewissen Charme, greifen meines Erachtens aber ein wenig zu kurz. Dass ein Veganer keinen Strom aus einer Biogasanlage möchte, die mit Kuhdung betrieben wird, ist für mich völlig nachvollziehbar. Alles andere geht mir aber ein wenig zu weit. Veganismus muss praktikabel und sozialverträglich sein.

 

Wofür soll ich mich denn jetzt entscheiden?

Grundsätzlich gibt es Strom – und damit alle Vorzüge der Elektrifizierung – nicht ohne einen gewissen Preis für Mensch, Umwelt und Natur. Als Erzeuger von Strom aus Wasserkraft arbeiten wir jedoch seit jeher daran, diesen Preis so gering wie möglich zu halten. Und das gilt auch für andere Erzeuger von Strom aus Wind- oder Sonnenenergie, um an dieser Stelle mal eine Lanze für unsere Branche zu brechen.

Veganer sollten den regenerativen Energien ihren (vergleichsweise kleinen) Einfluss auf Flora und Fauna also zugestehen, finde ich. Denn eine der stärksten Triebfedern für Leute, die sich entscheiden, vegan zu leben, ist oft der Klimawandel!

Die Nutztierhaltung ist einer der Hauptverursacher des Klimawandels. Ein Kilogramm brasilianisches Rindfleisch verursacht dieselben Treibhausgas-Emissionen wie eine Autofahrt von 1600 Kilometern in einem Mittelklassewagen. Und das liegt bei Weitem nicht nur an der Anreise von Brasilien hierher.

Für Tiere muss Futter angepflanzt werden, sie müssen sauberes Wasser trinken und, wenn sie geschlachtet werden, muss das Fleisch in einer lückenlosen Kühlkette bis zu uns auf den Grill transportiert werden. Von den gigantischen Methanemissionen (Stichwort: Kuhfurz) ganz zu schweigen. Diese Produktionskette stellt einen riesigen Ressourcenverbrauch dar.

 

Ein kleiner Denkanstoß

Nutztierhaltung ist also in etwa so schmutzig und ineffizient wie Strom aus einem alten Kohlekraftwerk. Wen das beim Essen nicht stört, dem sei das tägliche Fleisch und der Latte Macchiato gegönnt. Wer dabei aber gleichzeitig über den Klimawandel jammert, dessen Argumentation kann ich nicht ganz ernst nehmen.

Im Personalrestaurant von Energiedienst wird täglich auch vegan gekocht.

Deshalb habe ich für mich persönlich entschieden, meine Ernährung effizienter zu gestalten und gleich die Pflanze zu essen und nicht erst zu warten, bis das Tier von der Pflanze ernährt wurde, um damit wiederum mich zu ernähren.

Ich esse also dem Fleischesser seinem Essen das Essen weg, um mit einem letzten Veganer-Witz zu enden.

In diesem Sinne freue ich mich auf Kommentare und Fragen jeglicher Art!

 

Hier ein paar Links zum Stöbern:

Blogbeiträge per E-Mail

Sie interessiern sich für Themen rund um regenerative Energie? Gern senden wir Ihnen neue Beiträge im Energiedienst Blog per E-Mail. Selbstverständlich ist das kostenlos und unverbindlich. Ihre Daten werden zu keinem anderen Zweck verwendet. Den Newsletter können Sie jederzeit wieder abbestellen, wenn Sie es sich anders überlegen sollten.

Ich möchte Blogbeiträge per E-Mail abonnieren und habe die Datenschutzhinweise (Abschnitt "Newsletter") gelesen. Den Newsletter kann ich jederzeit wieder abbestellen, entweder direkt im Newsletter oder per Brief, Telefon, Fax oder E-Mail.