Aussteiger in Batik-Shirts, die handgemachten Ziegenkäse verkaufen und die Welt missionieren – so stellte ich mir die Nachhaltigkeitsmesse vor. Tatsächlich befreite ich auf der Veggienale & FairGoods meine Füße, blickte hinter Pappstände und erkämpfte mir einen Platz am Energiedienst-Stand.
Stereotypen
Zugegeben, das ein oder andere Klischee geisterte auch mir als überzeugtem Öko-Veganer durch den Kopf, als sich die Online-Tickets für die Veggienale & FairGoods aus meinem Drucker schoben. Eine Messe, die sich den Themen Vegetarismus und nachhaltiger Lebensstil widmet? Bilder von buntgekleideten Aussteigern oder bärtigen Einsiedlern, die den vorbeiwandelnden Gästen ihre selbstgefertigten Batik-Shirts oder ihren handgemachten Ziegenkäse anpreisen, taten sich vor meinem geistigen Auge auf. Ebenso stellte sich die Frage nach dem richtigen Auftritt. Kann man da ruhigen Gewissens mit dem Auto hinfahren und in Jeans und Sneakern erscheinen? Oder sollten ich die 50 Kilometer doch eher mit dem Liegerad absolvieren und mich in fair gehandelte Leinenstoffe hüllen? Weit gefehlt muss ich im Nachhinein sagen!
Der erste Eindruck
Als wir unser Auto auf dem Parkplatz der Messe Freiburg parkten, stellte sich heraus, dass wir nicht die einzigen waren, die mit dem KFZ angereist waren. Und auch die Menschen, die Richtung Eingang strömten, machten optisch einen sehr durchschnittlichen Eindruck. Meine Sneaker konnte ich also anbehalten. Aber waren wir überhaupt am richtigen Ort? Ein Blick auf das Online-Ticket räumte die letzten Zweifel beiseite. Und so betraten wir in gespannter Vorfreude den Eingang. Dort herrschte eine bemerkenswert entspannte Grundstimmung. Links ein einfacher Tisch mit einer kleinen Menschenschlange davor, rechts zwei sympathische junge Menschen, die vor dem Haupteingang standen. Der Tisch stellte sich als Kasse, die jungen Menschen als Türsteher heraus. Wir bekamen einen Stempel auf den Handrücken und schon waren wir drin. „Cool“, dachte ich, „wie früher in der Disko!“

Der Autor vor der obligatorischen Fotowand
Der zweite Eindruck
„Komm, wir laufen erstmal drüber und schauen, was uns interessiert.“ Der Klassiker, um bei Messen nicht an Informationsüberlastung zu kollabieren. Als wir nach diesem ersten Sondierungsrundgang wieder auf Los angekommen waren, stellten wir fest: Diese Messe ist nicht gerade riesig. Etwa die Hälfte der Halle war durch große Stellwände abgesperrt, damit die Stände nicht so verloren wirkten. Erleichterung machte sich in mir breit. Als Mann bin ich bereits mit der Größe eines durchschnittlichen schwedischen Möbelhauses überfordert. Ich würde hier also nicht an Reizüberflutung sterben. Kulinarische Angebote gab es auch zuhauf, es würde also ein entspannter Tag werden. „Schau mal, die haben hier auch Schuhe“, drang es da an mein Ohr.
Mein erstes Paar Ökoschuhe
Tatsächlich standen wir direkt neben einem sehr ansprechend gestalteten Stand der Firma „Wildling Shoes“. Das deutsche Start-up hat sich keinem geringeren Ziel als der Befreiung der Füße verschrieben. Erreicht werden soll das durch natürliche, pflanzliche Rohstoffe und eine sehr bequeme Passform. „Solche breiten Gesundheitslatschen hatte meine Oma immer an“, dachte ich und schlüpfte in einen der Schuhe hinein. „Erstaunlich bequem“, war der zweite Gedanke. Der Verkäufer drückte mir fachmännisch auf die Zehen und bestätigte die richtige Wahl der Größe. Zehn Minuten später lief ich mit meinen schicken, neuen Wildlingen an den Füßen zum Auto, um dort zwei Paar ausgediente Sneaker zu deponieren. So schnell kann’s gehen…
Die Wildlinge werden übrigens in Portugal von Hand gefertigt. Die NäherInnen dort sind erwachsen und haben faire Arbeitsbedingungen, und die Schuhe kosten genauso viel wie ein Paar Sneaker eines der großen Sportartikelhersteller.

„Die behalte ich gleich an“, Schuhprobe bei „Wildling“
Es gibt noch mehr zu entdecken auf der Veggienale
Nach einem sehr leckeren Mittagessen (veganer Döner) beschlossen wir, uns ohne größere Systematik von Stand zu Stand treiben zu lassen. Vorbei ging es also an Anbietern von Reisen mit ausschließlich veganer Verpflegung, an einer Demeter Gärtnerei mit Gemüse-Abo, an einem regionalen Tofu-Produzenten und an Verkäufern von Edelsteinen zur energetischen Wasseraufbereitung. Tierrechtsorganisationen waren ebenso vertreten wie Krankenkassen (vegane Ernährung ist gesund) oder Ökostromanbieter. Sogar eine Bank, die Ihr Geld nur in nachhaltige und ethisch korrekte Firmen und Projekte investiert war vertreten. Ich war erstaunt über eine solche Vielzahl an Angeboten, die allesamt das Thema Nachhaltigkeit als Grundlage hatten.

„Ich kauf‘ mein Fleisch immer beim veganen Metzger um die Ecke, da weiß ich, wo es herkommt.“ In diesem Falle aus Sölden bei Freiburg.
Wirklich alles nachhaltig?
„Schau mal die Stände sind alle aus Karton!“. Bei genauerem Hinsehen sah ich es auch. Eckpfeiler und dazwischen eingehängt Rück- und Seitenwände aus stabilem Karton. „Die Messe findet insgesamt acht Mal in unterschiedlichen deutschen Städten statt und wir wollen die Standmodule so oft es geht wiederverwenden“, sagte mir ein Messemitarbeiter. „Außerdem sind sie klein und leicht zu transportieren.“ Das brachte mich zum Nachdenken. Auf vielen anderen Messen überbieten sich die Aussteller mit immer noch höheren Budgets und damit Messeständen, die zum Teil Millionen von Euro kosten. Nur, damit die Stände danach wieder abgerissen und größtenteils weggeworfen werden. Nachhaltigkeit bedeutet also anscheinend auch ein gewisses Maß an Bescheidenheit. Und die Bereitschaft sein Business im selben Pappstand wie der Nachbar zu präsentieren…

Ein Vorhang und ein paar Bierbänke – mehr braucht es nicht für Theater. Die Attraktionen der Veggienale sind erfrischend unprätentiös!
Ein Fernsehkoch
Mein Blick auf die Armbanduhr erinnerte mich daran, dass wir ja noch etwas vorhatten. Von der Showbühne der Veggienale her, waren den Tag über verschiedene Redner zu hören. Jetzt drängten wir uns mit vielen anderen vor der Showküche von Björn Moschinski, dem bekanntesten veganen TV-Koch. Wohltuend pragmatisch kochte er ein veganes Alltagsgericht und ließ Anekdoten aus seinem Alltag hören. Der großgewachsene Koch-Autodidakt berichtete zum Beispiel wie er im TV eine Suppe im Mixer würzen wollte und dabei aus Versehen auf den Startknopf kam. Bei 1.000 Watt Mix-Leistung hatten sogar die Kameramänner etwas davon.

Ein Koch zum Anfassen: TV-Star Björn Moschinski plaudert aus dem Nähkästchen.
Aber er stimmte auch nachdenkliche Töne an: „Die weltweite Produktion von pflanzlichen Lebensmitteln würde für 12 Milliarden Menschen reichen .“ Derzeit hat die Erde 7,6 Milliarden Bewohner. „Knappheit und ungerechte Verteilung entstehen also hauptsächlich dadurch, dass der Großteil an Tiere verfüttert wird.“
Keine Dogmen, kein Extremismus, kein Missionieren, nur simple Fakten also. Die Ökos im Jahre 2019 sind ganz schön sympathisch.
Ein Stromanbieter
Ich beschloss noch einen letzten Anlauf am Stand von „NaturEnergie“ von Energiedienst zu machen. Der Stand wurde nach dem Prinzip des Upcyclings aus schönem und wiederverwendbarem Altholz gebaut. Meine bisherigen Versuche dort zu landen waren allerdings daran gescheitert, dass sich die Mitarbeiter stets in angeregten Gesprächen mit Messebesuchern befanden. „Wir kommen kaum dazu, Pause zu machen“, erklärt mir eine Kollegin in grüner Softshelljacke. „Das Interesse ist riesig und die Leute sind positiv überrascht, wie viel wir als Unternehmen für die Umwelt tun.“ Mit einem explizit regionalen und ökologischen Profil passt Energiedienst auch wunderbar auf die Veggienale & FairGoods. Aber kann Strom denn vegan sein? Die Kolleginnen an unserem Messestand konnten diese Frage beantworten. Für Sie als Blog-Leser haben wir da mal was vorbereitet: Ist NaturEnergie Strom vegan?

Als Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Event-Management arbeitet Simon Kuner in der Besucherinformation von Energiedienst: „Wir müssen Nachhaltigkeit und die Verantwortung für unseren Planeten täglich praktizieren. Nur so inspirieren wir andere, es auch zu tun. Als Referent in einem Wasserkraftwerk bin ich dafür genau an der richtigen Stelle!“
Super Beitrag ;-)