Fast jeder kennt das: Die Schränke quellen über, aber anzuziehen hat man trotzdem nichts. Oder nicht das Richtige. Peter hängt der Hosenaufschlag am Knöchel, seinem kleinen Bruder Paul reichen die Pullover-Ärmel seit dem letzten Wachstumsschub kaum noch über den Ellbogen. Mich macht die fliederfarbene Bluse unglaublich blass, und die Strickjacke mit Zopfmuster mag der Angetraute überhaupt nicht. Wir misten also aus – wieder einmal. Sechs Stunden später sind die Schränke deutlich leerer und schön sortiert. Nur: Was geschieht mit den vielen Kisten an ausrangierter Kleidung?
Es war noch nie mein Ding, all diese Sachen in den nächstbesten Container zu stecken. Vieles ist noch zu gut, wenn nicht die Schnitte, dann wenigstens die Materialien. Behalten ist auch keine Alternative, das bringt nicht zuletzt ein Platzproblem mit sich. Und außerdem: Vielleicht hat jemand anders noch echte Freude daran? Nicht zuletzt benötigt die Produktion von Baumwolle unglaublich viel Wasser. Kleidung muss entworfen, genäht und verschickt werden. Dafür sind Menschen im Einsatz, oft unter zweifelhaften Arbeitsbedingungen. Deshalb habe ich den Anspruch, alles so „wertig“ und nachhaltig wie möglich – eben je nach Zustand – einer zweiten Verwendung zuzuführen. Doch wie kann das klappen?

Ernies Zeit ist leider vorbei. Doch wohin mit all den ausrangierten Klamotten? Möglichkeiten gibt es genug! Foto: K. Weiger
Planen!
Es hilft sehr, sich schon beim Einkaufen Gedanken zu machen, das habe ich festgestellt. Klingt komisch? Nein. So kann man verhindern, dass beim Aussortieren erst gar keine exorbitanten Mengen anfallen. Wir versuchen, sehr gezielt einzukaufen, um Fehlkäufe zu vermeiden. Gelingt nicht immer, aber oft. Also: Wir Erwachsenen setzen auf hochwertige, gut kombinierbare Klassiker und langlebige Materialien. Bei den Kindern kaufen wir strikt nach Bedarf. Auch wenn die günstige Jeans mit Hosenträgern noch so niedlich ist oder das Schnäppchen laut „Hier!“ ruft. Auch hier achten wir lieber auf eine gute Qualität und faire Herstellung als auf die Menge. Und wenn generell weniger im Schrank liegt, erleichtert dies später das Aussortieren. Und Pauls morgendliche Wahl erst recht.

Eine Decke aus Stoffresten ist universell einsetzbar. Erstklässler Paul nutzt seine Babykrabbeldecke heute noch. Warum auch nicht? Sie ist ein echter Blickfang im Wohnzimmer. Foto: K. Weiger
Weitergeben!
Trotzdem fällt hin und wieder etwas an, was einfach raus muss – vor allem bei den Kindern. Besonders unkompliziert ist es natürlich, wenn man Gebrauchtes einfach weitergeben kann. Peter, unser 13-Jähriger, hat seinen kleinen Bruder, der „aufträgt“ – und wenn es nur zum Draußensein ist. Bei Qualität lohnt sich eine zweite Runde allemal – warum auch nicht zur Leihe? Meine Jungs hatten nie Probleme mit gebrauchter Kleidung, und ich habe mich stets über ein „Paket“ von auswärts gefreut – auch unter dem Aspekt, dass potenzielle Farbreste aus T-Shirts und Co. schon gut herausgewaschen waren und nichts nach Chemie roch. In Großstädten wie Berlin warten Kisten mit kostenlosen Kleiderschätzen mitunter sogar am Straßenrand auf neue Besitzer(innen). Für erwachsene Mädels ebenfalls eine tolle Idee: Tauschabende! Wer sagt, dass bei einer Tasse Kaffee nur Schmuck oder Küchengeräte die Besitzerin wechseln dürfen? Eben. Und die Anprobe gibt es inklusive.

Recycling mit Herz: Aus einer alten Bluse wird eine duftende Lavendel-Maus. Foto: K. Weiger
Verkaufen!
Reich, damit verrate ich wohl kein Geheimnis, wird man beim Verkauf gebrauchter Kleidung nicht. Egal ob bei Kindern oder Erwachsenen. Wer allerdings das Verkaufen im Blut hat oder die Spannung von Auktionen liebt, hat auf den verschiedensten Plattformen im Internet die Möglichkeit, Kleidung loszuwerden. Nachteil: Fast immer muss man dabei Päckchen packen. „Analoge“ Methoden gibt es natürlich ebenfalls: Börsen oder gut sortierte Second-Hand-Shops. Hier kann man, wenn man etwas Geduld mitbringt, nicht nur ausrangierte Hosen und Pullis verkaufen, sondern auch selbst das eine oder andere Schnäppchen machen.

Was auf die Ohren: Eine Bommelmütze aus Wollresten wärmt in der kalten Jahreszeit. So schön kann Resteverwertung sein. Foto: K. Weiger
Spenden!
Ein Klassiker: Kleidung spenden! Gemeinnützige Organisationen und Institutionen, die sich darüber freuen, gibt es in großer Zahl. Außerdem beschert es einem selbst ein gutes Gefühl, wenn sich jemand über die aussortierte Winterjacke vom Sohnemann oder die Bluse von Oma von Herzen freut. Der Umwelt tut diese Nachhaltigkeit gut. Leichter Gutes tun, so finde ich, kann man wohl kaum. Die Hilfe kommt auf direktem Wege bei jenen an, die ihrer bedürfen. In den meisten Städten gibt es Sozialkaufhäuser, Tafelläden, Kleiderkammern – einfach einmal nachfragen!

Bunte, getupfte oder geblümte Stoffreste kommen zu neuen Ehren – als praktischer faltbarer Einkaufsbeutel für die Handtasche. Foto: K. Weiger
Upcyceln!
Auch das ist nachhaltige Wiederverwertung! Aus alter Kleidung lässt sich mit etwas Geschick viel Neues zaubern: schöne Unikate, garantiert mit Herz gemacht. Wie wäre es zum Beispiel mit einer leuchtend gelben Laptoptasche aus einem Friesennerz? Einem Haarband aus Opas Streifenkrawatte? Oder mit einer praktischen Wandaufbewahrung aus alten Jeanshosen? Ideen und Inspiration bietet zum Beispiel das Buch „Neues Nähen aus alten Sachen – pfiffige Upcycling-Ideen von Deko bis Mode (erschienen bei Naumann & Göbel Verlagsgesellschaft Köln). Aus alten Hemden lassen sich wunderschöne Patchwork-Kissen und Spieldecken nähen, aus verbliebenen einzelnen Socken sogar Handpuppen fürs Kasperletheater. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Selbst aus Bändern, entstanden aus alter Kleidung oder Stoffresten, lassen sich so genannte „Endschuhe“ herstellen, wenn man die Schnüre kunstvoll über Holzleisten flicht. Wer alte Wollpullis aufribbelt, kann seine Lieben mit echten Handarbeiten erfreuen, sofern er mit Strick- und Häkelnadeln etwas umgehen kann. Und wenn Hemden und Co. wirklich kaputt sind, lässt sich ihr Stoff, vielleicht mit etwas Spitze, zu feinen Stofftaschentüchern weiterverarbeiten. Aus ausgewaschenen Frottee-Handtüchern werden kreisrunde Abschmink-Pads, aus alter Bettwäsche Staub- oder Geschirrtücher. Und im schlimmsten Fall halt Putzlappen.
PS: Eines haben meine zwei Kinder bekommen – und das ist eine Erinnerungsbox! Darin enthalten sind neben ausgefallenen Milchzähnen oder dem Mutterpass auch ausgewählte Kleidungsstücke: das Strampelhöschen, das der Patenonkel zur Geburt aus Australien mitgebracht hat. Das von Oma gehäkelte Krankenhaus-Mützchen. Oder die ersten kleinen Fußballschuhe. Beim Aussortieren stets an solche Schätze denken!

Heiß geliebt: Pauls Häkelbienen-Kuscheltuch, natürlich ebenfalls aus „recycelter“ Wolle. Foto: K. Weiger

So genannte „Endschuhe“, wie sie beispielsweise auf der Schwäbischen Alb bekannt sind. Sie sind das beste Beispiel für Wiederverwertung. Ursprünglich wurden hier die Endstücke verarbeitet, die beim Weben oder Stricken in der Textilindustrie entstanden waren. Geschickte Bastelfeen verwenden zu deren Herstellung auch oft Stoffreste.. Foto: K. Weiger
Katja Weiger (lic. rer. publ.) arbeitet als Freie Journalistin und Texterin, unter anderem für unser Kundenmagazin „NaturKunde“. Vor der Geburt ihrer beiden Jungs war sie viele Jahre lang als Redakteurin bei einer großen Tageszeitung im Schwarzwald tätig. Regenerative Energien sind und bleiben für sie ein spannendes Feld – vor allem in der Welt von morgen.