Wer einen Baum umarmt, wird mitunter schief angeschaut, tut aber seiner Gesundheit etwas Gutes. Die Bäume selbst haben eine Umarmung genauso dringend nötig.
Denn den Bäumen in Deutschland geht es immer schlechter. Das hat die Ende Februar erschienene Waldzustandserhebung 2020 des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft noch einmal verdeutlicht. Die anhaltende Dürre (in den Jahren 2018 bis 2020), Hitze und Stürme haben dem Waldbestand in Deutschland zugesetzt, auch der Klimawandel macht den Bäumen zu schaffen: Blätter fallen früher ab und Schädlinge wie der Borkenkäfer können sich weiter vermehren. Derzeit besteht Deutschland zu einem Drittel aus Waldfläche (rund 11,4 Millionen Hektar). Insbesondere bei den älteren Wäldern (älter als 60 Jahre) ist die Absterberate hoch. Der schlechte Zustand der Bäume wirkt sich nicht negativ auf die Nachfrage aus – im Gegenteil! Die Nachfrage nach nachhaltigen Rohstoffen ist weiterhin hoch. Damit verbunden ist die zunehmende Abholzung, die europaweit immer mehr zu einem Problem wird und sogar die gemeinsamen Klimaschutzziele gefährdet.

Die Absterberate bei Laub- und bei Nadelbäumen hat sich laut Waldzustandserhebung 2020 noch einmal drastisch erhöht: Sie war mehr als doppelt so hoch wie in den Vorjahren. Rund 285.000 Hektar Wald müssten demnach wieder bewaldet werden. Quelle: BMEL
Bäume leisten einen großen Beitrag in Sachen Klimaschutz
Denn Bäume leisten einen großen Beitrag in Sachen Klimaschutz und für unser Ökosystem: Sie filtern das Kohlendioxid (CO2) und Schadstoffe, darunter Staub und Ruß, aus der Luft und speichern den Kohlenstoff (C) im Holz und im Waldboden, gleichzeitig geben sie Sauerstoff ab. Eine 100-jährige Eiche beispielsweise verarbeitet jährlich 5000 Kilogramm CO2 zu organischen Substanzen und produziert 4500 Kilogramm Sauerstoff. Sie deckt damit den Jahres-Sauerstoffbedarf von elf Menschen.
Kohlenstoff auch in langlebigen Holzprodukten gespeichert
Noch gehört der deutsche Wald mit 358 Kubikmetern Holz pro Hektar zu den vorratsreichsten in Europa. Laut der letzten Kohlenstoffinventur von 2017 sind dort in lebenden Bäumen und im Totholz rund 1,26 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gebunden. Auch in langlebigen Holzprodukten wie Möbel und Gebäuden wird Kohlenstoff weiter gespeichert. Beim Verbrennen von Holz wird zudem nur so viel Kohlendioxid freigegeben, wie der Baum in den Jahrzehnten zuvor der Atmosphäre entzogen hat.
Bäume als natürliche Klimaanlagen
Waldböden wiederum sind große Wasserspeicher. Bäume schützen vor Überschwemmungen, Erosion, Erdrutschen und Lawinen, fungieren als natürliche Klimaanlagen und spenden Schatten. Das wissen sowohl Menschen als auch Tiere zu schätzen. Für die Tiere ist der Wald obendrein Lebensraum und Nahrungsquelle. Laut NABU beherbergen allein die Buchenwälder in Deutschland mehr als 6700 Tierarten und rund 4300 verschiene Pilze und Pflanzen.
Zwei Tage im Monat „Waldbaden“ für die Gesundheit
Auch Menschen sollten sich viel häufiger im Wald aufhalten, am besten zwei Tage im Monat.
Das empfehlen japanische Wissenschaftler, um maximal von der „Heilkraft des Waldes“ profitieren zu können. An japanischen Universitäten ist Waldmedizin ein anerkanntes Forschungsgebiet. 1982 wurde vom dortigen Forstministerium der Begriff „Baden im Wald“ (auf Japanisch „Shinrin-Yoku“) geprägt. Sebastian Kneipp, Vater der modernen Naturheilverfahren, legte den Menschen schon im 19. Jahrhundert die „Bewegung im Wald“ als eine von fünf Therapiesäulen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge ans Herz.
Waldbaden kann bei Burnout und Herzkreislauf-Erkrankungen helfen
Kein Wunder, denn wer mit allen Sinnen in die Stille und Unberührtheit des Waldes eintaucht, schaltet nicht nur schneller vom Alltagsstress ab, sondern tut aktiv etwas für seine Gesundheit. Japanische Studien zeigen, dass bereits ein kurzes Waldbad die Atmung, den Puls und den Blutdruck verbessert. Gegen Burnout und Herzkreislauf-Erkrankungen wird daher in Japan gerne eine Waldtherapie verordnet. Ein Waldspaziergang steigert die Konzentration an DHEA-Hormonen, die Herz-Kreislauf-Funktionen aufrechterhalten und Herzerkrankungen vorbeugen. Auch der Gehalt an natürlichen Killerzellen im Blut, die Viren abtöten und Krebszellen zerstören, kann durch ein Waldbad gesteigert werden. Auch bei Schlafstörungen, depressiven Gedanken, psychischen Belastungen oder der Aufmerksamkeitsstörung ADHS kann Waldbaden hilfreich sein. In Japan und auch in den USA ist Waldbaden inzwischen als Therapieform anerkannt, in Deutschland bisher noch nicht.

Ein „Bad im Wald“ tut Seele und Körper etwas Gutes – unter anderem wird dadurch der Gehalt an natürlichen Killerzellen im Blut erhöht, die unter anderem Krebszellen zerstören können. Bild: Adobe Stock/Andrea
Warum ist Waldbaden so gesund?
Für die therapeutische Wirkung des Waldes auf Körper und Seele sind wohl die Terpene verantwortlich. Terpene zählen zu den wichtigsten Ingredienzen ätherischer Öle und werden aus den Blättern und der Rinde von Bäume, Pflanzen und Sträuchern ausgedünstet. Beim Menschen bewirkt die Aufnahme von Terpenen über Haut und Lunge eine Beruhigung des Sympathikus, der als Teil des vegetativen Nervensystems in Stresssituationen Flucht- und Kampfreaktionen steuert. Der Ruhe-Nerv Parasympathikus, Gegenspieler des Sympathikus, welcher der körperlichen Regeneration dient, wird durch die Terpene dagegen angeregt.
Waldkindergärten als Erfahrungsraum liegen im Trend
Nicht nur für Erwachsene ist der Wald ein Erholungsort, sondern auch für Kinder ein besonderer Erfahrungsraum. Das wissen auch die Eltern mittlerweile wieder zu schätzen und schicken ihre Kinder vermehrt in die inzwischen rund 2000 Waldkindergärten und Waldgruppen in Deutschland. Wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Thema gibt es wenig, aber Erzieher, Eltern und Wissenschaftler sind sich einig, dass die Kinder von der Zeit im Waldkindergarten enorm profitieren. Sie sind in der Regel motorisch fitter, können sich besser konzentrieren und haben mehr Fantasie als die Kinder, die einen normalen Kindergarten besuchen. Zudem fördert das Spielen im Wald frühzeitig die Freude an der Natur auch für spätere Jahre. Waldkindergartenkinder lernen von Beginn an, dass der Mensch ein Teil der Natur ist. Dieser Aspekt kann in unser hektischen Welt, insbesondere in Großstädten, in Vergessenheit geraten.

Früher gehörte das Spielen im Wald für Kinder zur Tagesordnung. Mittlerweile wissen Eltern, Erzieher und Wissenschaft die Vorteile des Waldes wieder vermehrt zu schätzen – dies verdeutlicht unter anderem die steigende Anzahl von Waldkindergärten. Bild: Adobe Stock/BalanceFormCreative
Tipps, um den Wald zu schützen
Auch als Verbraucher sind wir mit dem Wald verbunden, auch, wenn wir es nicht immer direkt merken. Durch einen aufmerksamen Umgang mit unseren Ressourcen und einem bewussten Einkauf kann jeder seinen Beitrag zum Waldschutz leisten:
- sparsam mit Holz und Papierprodukten umgehen (z.B. Lappen anstelle von Küchenrolle, Stofftücher anstelle von Papiertaschentüchern & -servietten sowie Zeitungspapier anstelle von Geschenkpapier verwenden; auf Papierausdrucke soweit es geht verzichten)
- wenn möglich Recyclingpapier mit dem „Blauen Engel“ nutzen
- „grüne“ Suchmaschine nutzen, Internet – insbesondere die Datenspeicherung – bewusst nutzen
- bei Holzprodukten auf FSC Siegel & Naturland Siegel sowie Nachhaltigkeit achten
- Waldpate werden (zum Beispiel bei NABU)
- Aufforstungsprojekte unterstützen oder selbst einen Baum pflanzen
- Wald bewusst erleben: Waldführungen mit dem Förster oder ein Waldbaden-Seminar buchen
- Müll beim Waldspaziergang einsammeln und Hunde nicht frei laufen lassen
- Produkte mit Palmöl vermeiden
- Pfandprodukte und möglichst unverpackte Ware kaufen, wenn möglich eigene Boxen mitbringen
- Fleischkonsum reduzieren
Jeder Einzelne kann einen wichtigen Beitrag zum Waldschutz leisten – einen großen Beitrag will auch der Bund leisten: Er hat 1,5 Milliarden Euro für das größte Wiederaufforstungsprogramm in der Geschichte Deutschland bereit gestellt.
Noch mehr Wissenswertes zum Thema Waldschutz gibt es hier.

Simone Zettier arbeitet als Autorin für diverse Magazine, Webredaktionen und Zeitungen. Die begeisterte Tennisspielerin mit unbändiger Reiselust studierte an der TU Dortmund Journalistik und Amerikanistik und legte ein Auslandssemester an der University of New Orleans/Louisiana ein.