Geschwemmsel – auch Treibgut genannt – bleibt täglich am Rechen eines Wasserkraftwerks hängen. Neben Holz, PET-Flaschen und Fußbällen erzählen einige Fundstück ihre eigene Geschichte. Und manches taugt gar noch zur Wiederverwertung…
Die einen und die anderen
Als Betreiber von Wasserkraftwerken haben wir die beiden wichtigsten Bauarten dieser Sparte im Bestand. Zum einen die Speicherkraftwerke, in ihrer optischen Erscheinung oft als See inklusive Staumauer wahrgenommen, zum anderen die Laufwasserkraftwerke. Letztere werden in der Regel quer in einen Fluss gebaut, um auf möglichst geradem Wege vom Wasser durchströmt zu werden. Erklärtes Ziel dabei: Das Wasser soll dauerhaft die Turbinen und damit die Stromgeneratoren zum Drehen bringen. So weit so einfach – das Grundprinzip der Laufwasserkraft ist nicht allzu komplex. Ganz ungehindert sollte man den Fluss allerdings nicht durch so eine technische Anlage rauschen lassen…

Es ist angerichtet! Tonnenweise Geschwemmsel vor dem Einlaufrechen des Wasserkraftwerks Laufenburg. Foto: Energiedienst
Unten
Denn nicht nur Wasser kennzeichnet ein Fließgewässer wie den Rhein. Unten im Flussbett bewegt sich von der Quelle bis zur Mündung eine stetige Fracht aus Steinen und Sand, die als Geschiebe bezeichnet wird. Alle Dinge, deren Dichte (das Verhältnis von Volumen zu Gewicht) größer ist als die von Wasser, befinden sich in diesem Bereich. Bei den Bauarbeiten des neuen Wasserkraftwerks Rheinfelden zogen wir mit dem Bagger einen Sportwagen aus dem Rhein. Der Halter konnte nicht mehr ermittelt werden, auch der Grund für das Versenken im Rhein blieb Gegenstand wilder Spekulationen. Fest stand: Der Zweisitzer aus Zuffenhausen hatte eine höhere Dichte als Wasser und bereits eine gehörige Portion Rost angesetzt!
Oben
Dinge, die eine geringere Dichte als Wasser aufweisen, schwimmen oben und treiben somit sichtbar als sogenanntes Geschwemmsel auf unsere Kraftwerke zu. Ein sehr großer Teil ist natürlichen Ursprungs. Holz- und Pflanzenreste in allen Formen und Größen werden vor allem bei erhöhten Niederschlägen und damit Pegelständen im gesamten Einzugsbiet eines Flusses vom Wasser mitgenommen und jeweils in den nächstgrößeren Fluss geschwemmt. Aber auch von Menschen verursachter Müll treibt in steter Regelmäßigkeit in Richtung unserer Kraftwerke. PET-Flaschen, Fußbälle, Badelatschen… der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Am Kraftwerk Rheinfelden landen auf diese Weise ca. 500 Tonnen Geschwemmsel vor den Turbinen. Und das würde mächtig knirschen, wenn da nicht der Rechen wäre…

Passt? Passt! Durch diese hohlen Gassen muss später das Wasser ins Kraftwerk hineinfließen. In diesem Fall das Wasserkraftwerk in Rheinfelden. Foto: Juri Junkov
Rechenbeispiel
Je nach Typ und Größe einer Wasserkraftturbine ergibt sich die Größe bzw. die lichte Weite des Rechens. Hä? Der Rechen an einem Wasserkraftwerk ähnelt in etwa einem gusseisernen Grillrost. Die einzelnen Stäbe verlaufen meist von oben nach unten. Wasser kann passieren, Geschwemmsel jedoch nur in einer Größe, die die Turbine nicht beschädigt oder blockiert. Je größer die Turbine, desto gröber kann also auch der Rechen ausfallen. In Rheinfelden haben die Rechenstäbe einen Abstand von 15 Zentimetern zueinander. Kleineres Gehölz geht durch, größere Dinge bleiben hängen. Kleinwasserkraftwerke haben oft nur wenige Zentimeter Rechenweite, da sie kleinere und damit empfindlichere Turbinen haben. Eine Ausnahme bilden da die Schneckenturbinen, die in der Lage sind auch sperrige Gegenstände passieren zu lassen und somit nur einen Grobrechen benötigen.

Die Rechenreinigungsmaschine am Kraftwerk Rheinfelden entfernt Treibgut vom Rechen. Foto: Juri Junkov

In der Spülrinne gelangt das Treibgut in Container. Foto: Roland Horn
Den Rechen rechen
Sensoren melden dem Leitsystem des Wasserkraftwerks, ob es Zeit wird die Rechenreinigungsmaschine in Betrieb zu nehmen. Sie kann automatisch oder manuell betrieben werden und befördert das Geschwemmsel mit einer großen Harke in eine darüber liegende Rinne. Ist die Rinne voll, wird sie kräftig mit Wasser gespült. Das Treibgut wird dadurch in einen Container befördert, bereit vom Kompostierbetrieb abgeholt zu werden. Und genau an dieser Stelle tummeln sich von Zeit zu Zeit Jäger und Sammler.

Was nicht passt, wird passend gemacht. Manche Dinge sind zu groß für die Container. Foto: Energiedienst
Upcycling
Dem vom Element Wasser geformten Holz sieht man seine lange und abwechslungsreiche Reise durch den Fluss durchaus an. Einst kantige Formen sind rundgewaschen, frische Farben verblichen und Zweige oder Verästelungen gekappt. Ähnlich einem alten Haus oder einem alten Menschen sieht man hier die Spuren der Zeit eingraviert. Diese besondere Ästhetik begründet vermutlich auch die menschliche Leidenschaft auf Treibholzsuche zu gehen. Neben dem einzigartigen Äußeren eines jeden Stücks sind es sicher auch die „Lebensgeschichten“, die wir dahinter vermuten. Alles erzählt eine Geschichte…

Große Mengen Holz kommen direkt vor Ort in den Häcksler. Foto: Energiedienst
Der Künstler Holger Rübsam beispielsweise sägt mit bildhauerischer Präzision schönste Plastiken aus angeschwemmten Baumstämmen. Immer unter Berücksichtigung der natürlichen Form. Das Holz weist ihm den Weg. Schaut man sich auf Kreativ-Plattformen wie Pinterest um, nehmen die Ideen zu Möbeln und Dekoration aus Treibgut kein Ende. Vergangenes Jahr waren Mitarbeiter von Energiedienst auf Marktplätzen der Region unterwegs und hatten Treibholz im Gepäck. Dazu kamen einige Tische und Akkuschrauber, um gemeinsam mit Passanten Teelichthalter und individuelle Stiftebecher herzustellen.
Und wir bei Energiedienst nennen mittlerweile zwei Weihnachtsbäume aus Treibholz unser Eigen. Vermutlich bis ins Jahre 2100 wiederverwendbar und völlig frei von Tannennadeln. Übrigens war auch ich schon auf der Suche nach Treibholz am Rhein. Am Ende wurde eine Lampe daraus, die es so in keinem Möbelgeschäft der Welt zu kaufen gibt…
Als Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Event-Management arbeitet Simon Kuner in der Besucherinformation von Energiedienst: „Wir müssen Nachhaltigkeit und die Verantwortung für unseren Planeten täglich praktizieren. Nur so inspirieren wir andere, es auch zu tun. Als Referent in einem Wasserkraftwerk bin ich dafür genau an der richtigen Stelle!“
Porsche ?
Hallo Anonymous,
ja ein Porsche. Ein rotes Cabrio mit weißen Sitzen. Weitere Sportwagenhersteller in Zuffenhausen sind mir nicht bekannt.
Viele Grüße
Simon Kuner
Ein interessanter und unterhaltsam geschriebener Text.
Das Lesen hat Spaß gemacht und mich gut und leicht mit Fachinformationen vertraut gemacht.
Danke dafür!