Sektorenkopplung ist das beste Konzept, um die Energiewende und damit 100 Prozent erneuerbare Energien zu erreichen. Energiedienst ist dabei Vorreiter mit Abwärmenutzung und Power-to-Gas.
Den Horizont erweitern
Wenn Menschen über Energiewende und CO2-Reduzierung reden, kreisen die Gespräche meist um Kraftwerke, die Sonne, Wind oder Wasser. Tatsächlich brauchen wir in diesem Bereich auch einen beträchtlichen Zubau, um konventionelle Anlagen wie Kohle- oder Atomkraftwerke in den Ruhestand zu schicken. Aber mit den regenerativen Produktionskapazitäten alleine ist es nicht getan. Denn zum einen fordert das etwas unstete Produktionsverhalten beim Ökostrom große Speicherkapazitäten, die derzeit noch nicht ausreichend vorhanden sind. Zum anderen gibt es noch weitere Bereiche, die Energie verbrauchen und CO2 emittieren, manchmal aber auch bislang ungenutzte Energie produzieren. Der Blick auf das Gesamtsystem ist also unabdingbar. Und bei diesem Blick wird klar, dass sich Teamwork wieder einmal lohnt!
Bereiche definieren
Der Begriff Sektoren meint alle Bereiche, die Energie benötigen oder erzeugen. Dazu gehören Energieerzeugung, Wärme bzw. Kälte, Verkehr und Industrie. Und diese Sektoren sollen künftig sinnvoll miteinander verknüpft werden. Aus der Sicht eines Wasserkraftwerkes zeigen sich die Potentiale dieser Sektorenkopplung sehr deutlich. Deshalb hier einige Beispiele, die bereits gelebte Praxis sind:
Sektorenkopplung Energieerzeugung-Wärme
Die Generatoren in unserem Wasserkraftwerk Laufenburg arbeiten unter Volllast mit einer Gesamtleistung von 110 Megawatt. Im Jahresdurchschnitt bedeutet das Strom für knapp 195.000 Haushalte. Die Generatoren erzeugen aber neben der elektrischen noch eine weitere Art der Energie: Abwärme. Und die lässt sich mit verhältnismäßig geringem Aufwand von den Generatoren abziehen und in ein Wärmenetz speisen. Drei der insgesamt zehn Generatoren genügen bereits, um das nahegelegene Wohngebiet „Ryhpark“ mit Wärme für Heizung und Warmwasser zu versorgen. Das sind ganze 93 Wohneinheiten und Gewerberäume, die mit „Abfallwärme“ versorgt werden und somit auf fossile Brennstoffe verzichten können. Das Schöne ist, dass Kraftwerksgeneratoren nicht die einzigen Anlagen sind, die Wärme „so nebenher“ produzieren…

Das Kraftwerk Laufenburg produziert sauberen Strom und auch eine ganze Menge Abwärme. Einen Teil davon nutzen Bewohner eines benachbarten Wohngebiets zum Heizen. (Bild Energiedienst / Roland Horn)
Sektorenkopplung Industrie-Wärme
Der Sektor Industrie ist voll von ungenutzter Abwärme. In Deutschland ist Prozesswärme die größte Abwärmequelle überhaupt. Experten haben berechnet, dass Unternehmen hier jährlich rund fünf Milliarden Euro an Energiekosten einsparen könnten. Und um nicht monetär, sondern in Heizleistung zu sprechen: Das sind gewaltige 125 Terawattstunden Heizleistung, die da weitgehend ungenutzt davonziehen. Das entspricht fast exakt der im Jahre 2016 in Deutschland genutzten Fernwärme von 130 Terawattstunden. Würde man hier also konsequent Resteverwertung betreiben, könnten wir den Fernwärmebedarf in Deutschland fast ausschließlich durch Sektorenkopplung decken. Und Energiedienst spielt dabei ganz vorne mit! In Rheinfelden realisieren wir zusammen mit der Firma Evonik ein Fernwärmenetz, welches die Abwärme aus der chemischen Industrie in ein Wohn- und Gewerbegebiet leitet. Meine Großmutter hat damals schon das Prinzip der Energiewende verstanden: „Es gibt keinen Abfall, es gibt höchstens keine Idee, ihn sinnvoll zu nutzen!“
Sektorenkopplung Energieerzeugung-Verkehr
Neben der Energieerzeugung ist auch der Verkehr stark im Fokus, wenn es um CO2-Reduzierung geht. An unserem Standort in Wyhlen produziert eine Power-to-Gas Anlage künftig mit Ökostrom aus dem nahen Wasserkraftwerk Wasserstoff. Ein Teil des im Kraftwerk erzeugten Stromes wird verwendet, um Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten. Das Verfahren ist unter dem Namen Elektrolyse bekannt. Der Wasserstoff kann gelagert, transportiert und irgendwann in einer Brennstoffzelle wieder in elektrische Energie zurückverwandelt werden und damit Autos, Busse oder Züge antreiben. Wir haben hier also Lösungen für zwei Problemfelder der Energiewende. Zum einen kann überschüssiger Ökostrom in Form von Wasserstoff gespeichert werden, zum anderen kann im Sektor Verkehr der CO2-Ausstoß gesenkt werden.
Die Brennstoffzelle ist ohnehin eine wichtige Ergänzung zu batterieelektrischen Fahrzeugen. Die aktuell auf dem Markt befindlichen Wasserstoff-PKW haben eine Reichweite von knapp 600 Kilometern bei einer Betankungszeit von ca. fünf Minuten. Eingedenk der Rohstoffproblematik bei der Batterieproduktion sind das drei sehr wichtige Argumente für diese Antriebstechnik. Erste Loks mit Brennstoffzellenantrieb haben bereits Serienreife.

Modernste Technik auf kleinem Raum in Wyhlen: Dieser Elektrolyseur wandelt Ökostrom in Wasserstoff um. (Bild: Energiedienst / Juri Junkov)

Tradition und Moderne: im Hintergrund das Wasserkraftwerk, im Vordergrund die Power-to-Gas Anlage in Wyhlen (Bild: Energiedienst / Kevin Folk)
Nochmals Sektorenkopplung Energieerzeugung-Verkehr
Doch auch für den guten alten Verbrennungsmotor gibt es noch einen letzten Strohhalm Hoffnung. Das sogenannte Fischer-Tropsch-Verfahren. An unserm Standort Laufenburg war eine Power-to-Liquid Anlage in Planung. Das Projekt verfolgt Energiedienst vorerst nicht weiter, weil wir uns auf die Power-to-Gas Anlage in Wyhlen konzentrieren. Bei Power-to-Liquid wird aus den Rohstoffen Strom, Wasser und CO2 synthetischer Diesel hergestellt. Diese Technik hat einige Vorteile. Sie ist zum einen ein Speicher für überschüssigen Ökostrom, zum anderen wird bei dem Verfahren genau so viel CO2 gebunden, wie nachher bei der Nutzung des Kraftstoffs wieder ausgestoßen wird. Die CO2-Bilanz ist damit neutral. Und der dritte Vorteil ist ebenfalls ein sehr wesentlicher: Es können bestehende Fahrzeugtechnik (Reichweite eines Diesels), bestehende Infrastruktur (Tankstellen) und bestehende Gewohnheiten (der Gang zur Tanke) beibehalten werden.
Die Zukunft hat schon längst begonnen
All diese Beispiele zeigen, dass die Energiewende bereits in vollem Gange ist. Die Sektorenkopplung, also die intelligente Vernetzung aller beteiligten Akteure, ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Gemeinsam kommen die Menschen schon immer weiter als allein. In diesem Sinne: Sektoren der Welt, vereinigt euch!
Als Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Event-Management arbeitet Simon Kuner in der Besucherinformation von Energiedienst: „Wir müssen Nachhaltigkeit und die Verantwortung für unseren Planeten täglich praktizieren. Nur so inspirieren wir andere, es auch zu tun. Als Referent in einem Wasserkraftwerk bin ich dafür genau an der richtigen Stelle!“
Interessant und informativ
Mich würde hierbei mal interessieren wie viel Kilowattstunden es braucht um 1 l synthetischen Diesel oder eine 1 kg Wasserstoff herzustellen?
Hallo Herr Grauer,
in 1 kg Wasserstoff stecken etwa 33,3 kWh an Energie. Moderne Elektrolyseanlagen wie unsere am Wasserkraftwerk Wyhlen produzieren mit einem Wirkungsgrad von etwa 65%. Also müssen wir 51 kWh an elektrischer Energie einsetzten, um 1 kg Wasserstoff zu erzeugen.
In 1 kg Diesel stecken etwa 11,6 kWh an Energie. Moderne Power-to-Liquid Anlagen arbeiten mit einem Wirkungsgrad von etwa 50%. Es sind also etwa 23 kWh an elektrischer Energie nötig, um 1 kg synthetischen Diesel zu erzeugen.
Die hier genannten Gesamtwirkungsgrade lassen sich deutlich optimieren, wenn die Abwärme dieser Anlagen als Nahwärme in umliegenden Gebäuden genutzt wird.
Viele Grüße
Simon Kuner
Die Frage ist doch dann, wieviel braucht ein Auto Strom pro 100 km:
Dieselauto mit synthetischem Kraftstoff:
5,5 l/100km * 23 kWh = 126,5 kWh
Wasserstoffauto, z.B. Toyota Mirai:
0,76 kg/100km * 51 kWh = 38,7 kWh
Elektroauto, z.B. VW eGolf
13,8 kWh
Meiner Meinung ist damit auch die Frage beantwortet, was sich in Zukunft durchsetzen wird.
Es stimmt, dass die Industrie viel Abwärme produziert. Es ist wirklich schade, dass die oft ungebraucht bleibt. Vor allem, wenn man so viel Geld sparren könnte.
Hallo Ferdinand Schneider,
wir sind dran an dem Thema! Siehe:
https://www.energiedienst.de/presse-detail/news/2107-symbolischerspatenstichzumbaubeginnderfernwrmeleitung/
Viele Grüße
Simon Kuner
Hallo Martin R.,
danke für deine Gegenüberstellung der Antriebe und ihrer Verbräuche. Tatsächlich gibt es bei den Transportmitteln, die wir als Menschen zur Verfügung haben, beträchtliche Unterschiede im Gesamtwirkungsgrad.
Ich denke aber nicht, dass bei all den verschiedenen Einsatzbereichen und der jeweils benötigten Lade- bzw. Tankinfrastruktur, nur ein Antrieb in Zukunft das Rennen machen wird. Für den urbanen Kurzstreckenverkehr wird mir Sicherheit die Batterie eine große Rolle spielen. Für längere Strecken und Schwerlastverkehr mit Sicherheit aber der Wasserstoff oder gar Oberleitungssysteme auf der rechten Autobahnspur für LKW…
Die Energiewende ist dezentral und damit viel kleinteiliger als wir das bisher gewohnt sind. Bewährtes wird aber auch in Zukunft bestehen. Vor etwa 200 Jahren wurde eines der effizientesten Fortbewegungsmittel überhaupt erfunden. Und ich persönlich sage ihm eine sehr große Rolle in der Verkehrswende voraus… dem Fahrrad.
Viele Grüße
Simon