Im Interview verrät Diplom-Ingenieur Peter Oehler, wie die Kandertalbahn reaktiviert werden kann, wie die ganze Region davon profitiert und welche Rolle Wasserstoff dabei spielt.

 

Herr Oehler, können Sie uns kurz die Geschichte der Kandertalbahn erzählen?

Die Kandertalbahn ging 1895 als 13 Kilometer lange Verbindung zwischen den südbadischen Städten Kandern und Haltingen in Betrieb. Damals führte die Bahnstrecke zu einem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt Kandern und des Kandertals mit Verbindung bis nach Basel und in das Rheintal. Schließlich stellte die zuständige Verkehrsgesellschaft SWEG den Linienverkehr 1983 ein, da die Konkurrenz durch LKW und Busse zu groß wurde. Rückblickend bezeichnet selbst die SWEG die Einstellung des Bahnbetriebs als Fehler. Zum Glück konnte die Stadt immerhin die Trasse erhalten.

 

Warum liegen dort trotzdem noch Gleise?

Gleich als der Verkehrsbetrieb die Bahnstrecke außer Betrieb nahm, war mir klar, dass wir die Bahngleise erhalten müssen. Dadurch rechnete ich mir größere Chancen aus, den Linienverkehr eines Tages zu reaktivieren. Um die Trasse bewahren zu können, kaufte die Stadt Kandern die gesamte Trasse und gründete einen Zweckverband. Dieser betreibt nun in den Sommermonaten eine Museumsbahn. Ideen, wie etwa Teile der Gleise als Radweg oder Umgehungsstraße zu nutzen, konnten dadurch verhindert werden.

 

Historische Dampflok, Kandertalbahn

Wie in lange vergessenen Tagen fährt die historische Dampflok noch heute jeden Sommer durch das Kandertal. Bild: Thomas Pfefferle, kandertalbahn.de

 

Welche Hürden müssen genommen werden, um die Kandertalbahn wieder zum Leben zu erwecken?

Nun, vor allem muss sich der Betrieb der Bahnstrecke rechnen. Eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2011 ergab das Gegenteil, nämlich, dass die Kosten den Nutzen überstiegen. Heute wissen wir jedoch, dass diese Studie von falschen Tatsachen ausgegangen ist. So ging die Studie beispielsweise davon aus, dass die Bevölkerungsanzahl sinkt. Heute hingegen bezeichnet die Landesregierung das Kandertal als Entwicklungsachse der Region. Auch die Agglomeration Basel hat das Kandertal entdeckt und perspektivisch in ihre Planung aufgenommen.

 

Warum sind Sie davon überzeugt, dass die Kandertalbahn nach all den Jahren eine Zukunft hat?

Das hat verschiedene Gründe. Zum einen hat der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann dazu aufgerufen, stillgelegte Strecken mit Potential zur Reaktivierung zu melden. Das Ministerium prüft dann das Potential der gemeldeten Abschnitte. Die Trasse im Kandertal sollte hier nach meiner Einschätzung am geeignetsten sein. Zum anderen stehen uns heute vollkommen neue Technologien zur Verfügung.

 

Welche Technologien meinen Sie?

Grundsätzlich die Elektromobilität. Auf Zugstrecken, die keine Oberleitung haben, favorisiere ich jedoch die Wasserstoff-Brenstoffzellen-Technologie. Die Firma Alstom bietet beispielsweise den Wasserstoffzug „Coradia iLint“ an. In Niedersachsen sind diese Züge bereits im Einsatz. Das Land ist mit diesem so zufrieden, dass es bereits Dutzende weitere Brennstoffzellenzüge bestellt hat. Auch andere Bundesländer wie Hessen und Baden-Württemberg haben bereits Züge der gleichen Technologie bestellt oder überlegen, dies zu tun. Ich selbst bin im letzten Jahr nach Norddeutschland gereist, um dort den Coradia zu testen. Im Wasserstoffzug fuhr ich von Bremerhaven nach Buxtehude und wieder zurück. Ich muss feststellen, dass der Zug hält, was er verspricht.

 

Mann hält Zugmodell in der Hand

Noch muss sich Peter Oehler mit dem Modell begnügen. Doch hofft der Ingenieur, den Coradia-Zug bald in Originalgröße im Kandertal verkehren zu sehen. Bild: Energiedienst

 

Kann der Coradia mit anderen Zugtypen, die als S-Bahn fahren, mithalten?

Brennstoffzellenzüge können eine Höchstgeschwindigkeit von 140km/h erreichen. Das ist die gleiche Geschwindigkeit, die auch andere S-Bahn-Triebwägen erreichen. Mit einer Tankfüllung können die Züge 1000 Kilometer weit fahren. Die Betankung erfolgt in nur zehn Minuten. Auch Steigungen meistert der Zug ohne Probleme. Mit diesen Eigenschaften ist der Wasserstoffzug für das Kandertal mehr als ausreichend.

 

Welche Vorteile bietet der Brennstoffzellenzug gegenüber dem herkömmlichen Triebzug?

Die Trasse im Kandertal ist nicht elektrifiziert. Das bedeutet, dass es keine Oberleitung gibt. Eine Elektrifizierung würde erfahrungsgemäß etwa 40 Prozent der gesamten Reaktivierungskosten vereinnahmen. Der Betrieb mit Brennstoffzellenzügen ist somit deutlich günstiger. Im Vergleich zu Dieselloks, die man ebenfalls ohne Oberleitungen einsetzen könnte, ist der Betrieb mit Wasserstoff vollkommen emissionsfrei. Weiterhin ist der Brennstoffzellenzug sehr geräuscharm und geruchsfrei. An unbeschrankten Bahnübergängen muss deshalb sogar ein Pfeifton eingesetzt werden, da man den Zug sonst nicht rechtzeitig bemerken würde. Die Alternative des Elektro-Batterieantriebs hat den Makel, dass die Ladezeit der Akkus sehr lange ist. Außerdem ist diese Variante nicht unbedingt umweltfreundlich. Der Strom könnte aus Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerken kommen.

 

Tankvorrichtung eines Wasserstoffzugs

In Aussehen und Funktion ist die Tankvorrichtung eines Wasserstoffzugs der Diesellok sehr ähnlich. Auch die Dauer, um die beiden Tanks zu füllen, ist mit einer Diesellok vergleichbar: etwa zehn Minuten. Bild: Alstom Group

 

Woher könnte der Wasserstoff kommen?

Den Wasserstoff könnte die Firma Energiedienst liefern. Sie erprobt momentan eine Power-to-Gas-Anlage in Wyhlen. Das ist eine Anlage, die aus Wasserkraft gewonnenen Strom verwendet, um Wasserstoff herzustellen. Produziert das Wasserkraftwerk in Wyhlen mehr Strom, als das Netz aufnehmen kann, betreibt die überschüssige Energie die Power-to-Gas-Anlage. Somit wäre der Wasserstoff nicht nur ökologisch gewonnen, sondern auch regional. Der Zugbetrieb wäre dadurch nahezu klimaneutral. Das ist ein großer Vorteil gegenüber sämtlichen Alternativen.

 

Welche Auswirkungen hätte das für die Region?

In der Region gibt es großes Potential: Das Kandertal ist ein attraktives Naherholungsgebiet. Außerdem könnte eine gute Verkehrsanbindung Arbeitnehmer, die im Ballungsgebiet Basel tätig sind, anziehen. Für den Betrieb der Museumsbahn gäbe es währenddessen keine Einschränkungen. Dieser könnte in den Sommermonaten weiterhin wie gewohnt ablaufen. Der Nutzen, die Strecke zu reaktivieren, liegt meiner Einschätzung nach erheblich über den dafür nötigen Kosten.

 

Wasserstoffzug coradia iLint auf Gleisen

In Niedersachsen wird der Wasserstoffzug von Alstom mittlerweile zu einem gewohnten Bild. Dort fahren die Fahrzeuge bereits seit fast einem Jahr. Bild: Alstom Group

 

Sie engagieren sich schon seit 36 Jahren für die Reaktivierung der Kandertalbahn. Was ist Ihr Motiv?

Zu dem Zeitpunkt, als der Linienverkehr eingestellt wurde, wohnte ich in Kandern und war dort Gemeinderat. In dieser Funktion war mir die Verkehrsanbindung Kanderns natürlich wichtig.
Vor zehn Jahren hat es mich wieder nach Lörrach gezogen. Hier bin ich groß geworden. Trotzdem spüre ich noch eine große Verbundenheit mit dem Kandertal. Die Bahn hätte für den Nahverkehr der Region einen großen Nutzen. Ich würde sie gerne nutzen, um zu meinen wöchentlichen Chorproben zu fahren. Momentan nehme ich dafür noch den Bus.

Diplom-Ingenieur Peter Oehler war 26 Jahre lang Gemeinderat in Kandern. Bereits seit der Einstellung des Linienverkehrs 1983 setzt sich der Bauingenieur und Tragwerksplaner dafür ein, die Trasse zu erhalten. Sein Ziel war schon damals, die Strecke wieder in Betrieb zu nehmen. Bis heute engagiert er sich für die Reaktivierung der Kandertalbahn. In der neuen Technologie des Brennstoffzellenzuges sieht das Mitglied der Interessengemeinschaft Pro Kandertalbahn eine Chance, die Strecke zu reaktivieren.

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