Sven Plöger kennen viele von der Wettervorhersage in der ARD. Als Diplom-Meteorologe möchte er vor allem eins: Aufklären über den Klimawandel. Wir haben mit ihm über Einsicht, Orkan Lothar und unsere Verantwortung gesprochen.

 

Die Gattung Mensch ist nicht nachhaltig. Das ist ein Zitat aus Ihrem Buch, das nicht so viel Hoffnung macht, dass wir den Klimawandel noch in den Griff bekommen.

Sven Plöger: In der Praxis sieht im Moment nichts danach aus, als würden wir eine wirkliche Bereitschaft haben, die Dinge zu verändern. In der Theorie ist es möglich. Das ist für mich der Kernpunkt. Wir müssen in den nächsten zehn bis 20 Jahren etwas gegen den Klimawandel unternehmen. Selbst wenn wir gar nichts machen, dreht sich die Welt weiter. Aber dann kann das Klima so krass kippen, dass die Versorgung vieler Menschen am Ende mit Nahrung, Energie und irgendwann auch Wasser nicht mehr sichergestellt werden kann.

Buchcover von Sven Plögers Buch über den Klimawandel

Das Buch „Zieht euch warm an, es ist heiß“ ist Sven Plögers aktueller Bestseller über den Klimawandel (Westend Verlag).

 

Um diese Umsetzung voranzutreiben, wünschen Sie sich ein Regelwerk.

Sven Plöger: Wir brauchen ganz klare politische Rahmenbedingungen, eine kluge, weltweite Politik, die anders ist als die bisherige, um tatsächlich Erfolge zu erzielen.
Ich schaue auf die heutige Situation ein bisschen, wie ein Zuschauer eines Blockbusters. Der weiß, dass gleich etwas vollkommen Dramatisches passieren wird und eine Lösung für das Problem gefunden werden muss. Aber zu diesem Zeitpunkt erkennen die Protagonisten im Film ihre kritische Lage einfach nicht und genau das treibt den Zuschauer fast in den Wahnsinn. So würde es wohl auch Außeririschen gehen, die unser heutiges Verhalten – vor dem Hintergrund der so offensichtlichen klimatischen Veränderungen – überhaupt nicht begreifen könnten. Kurz gesagt: Ich bin sehr gespannt, wann wirklich mal robuste Einsichten kommen und damit eben auch ein robustes Umlenken stattfindet.

 

„Klimawandel ist wie ein Asteroideneinschlag in Superzeitlupe.”

 

Bei der Corona-Pandemie gab es dieses Regelwerk recht schnell. Warum dauert es beim Klimawandel so lange?

Sven Plöger: Das hat mit unserer Wahrnehmung zu tun. Corona wirkt schnell, das passiert in Wochen und Monaten. Das ist eine Zeitskala, mit der wir sehr gut klarkommen. Das entspricht unserer Denkweise. Wir denken in Wochen, wir denken in Monaten. Wir denken nicht in Jahrzehnten und Jahrhunderten. Die Bedrohung durch Corona ist sehr konkret, es kann jeden treffen. Dadurch ist der Mensch bereit, sich zu schützen und extreme Konsequenzen in Kauf zu nehmen. Der Klimawandel kommt dagegen wie ein Asteroideneinschlag in Superzeitlupe daher. Er läuft so langsam ab, dass wir kaum eine Bewegung wahrnehmen – nur ab und zu durch Extremwetter, die aber zunehmen. Die Atmosphäre fängt an uns zu wecken. Wenn wir sie ignorieren und uns nicht ändern, wird sie damit niemals aufhören und uns immer heftigere Wetterereignisse präsentieren.

 

„Mehr als 80 Prozent der Energie weltweit wird fossil erzeugt.”

 

Beim Ozonloch haben wir zeitnah reagiert…

Sven Plöger: Das war im Vergleich recht einfach, ist aber ein gutes Beispiel. Die Bedrohung kam damals sehr schnell. Hätten wir nichts gegen das Ozonloch unternommen, dann würde wahrscheinlich heute eine sehr große Zahl von Menschen gar nicht mehr auf diesem Planeten leben. Das heißt, da haben wir bewiesen: Wir können schnell reagieren. Damals konnten wir ohne große Umstände die FCKW durch chlorfreies FKW ersetzen. Denn das Chlor zerstört ja die Ozonschicht. Wir hatten damals also eine Alternative. Das ist ein wichtiger Punkt, denn dann sind Menschen zu Veränderungen bereit.

Beim CO2 haben wir zwar Alternativen, aber unser ganzes Konstrukt der Energieversorgung baut weltweit darauf auf, dass immer noch etwas mehr als 80 Prozent der Energie fossil erzeugt wird. Diese Infrastruktur aufzubrechen und neu aufzubauen ist viel komplexer ist als beim Thema Ozon – insbesondere bei der Finanzierung.

 

Herr Plöger, Sie haben die Finanzierung erwähnt. In Ihrem Buch sprechen Sie auch dieses Thema an und stellen fest, dass Innovationen eben immer mit Kosten verbunden sind.

Sven Plöger: Dafür brauchen wir eben die politischen Rahmenbedingungen. Wenn man einen Umbau wünscht, dann muss man investieren. Für einige ist das sicher ein Hemmschuh. Dort muss die politische Förderung ansetzen. Es gibt jede Menge Studien, die sagen, dass jeder Euro, den man heute in den Klimaschutz steckt, am Ende zwischen zwei und elf Euro wert sein wird. Da sind schon die möglichen Schäden eingerechnet, die kaum oder wenig Klimaschutz nach sich zieht – zum Beispiel der Wiederaufbau von Häusern nach Waldbränden. Durch gute Vorsorge lässt sich hier – genau wie beim Arzt – viel Schaden vermeiden.

 

Das ist nicht Ihr erstes Buch über den Klimawandel. Seit gut zwei Jahrzehnten ist das Ihr Herzensthema und Sie versuchen die Menschen darüber aufzuklären. Gab es bei Ihnen ein Aha-Erlebnis oder war das ein Prozess?

Sven Plöger: Ein einschneidendes Erlebnis für mich war der Orkan Lothar am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999. Da habe ich selbst Böen mit 179 Kilometer pro Stunde erlebt und sah wie dadurch ein Drittel des Waldes dort umgestürzt ist. Da habe ich mir die Frage gestellt, ob es da einen Zusammenhang zum Klimawandel gibt. Bei Stürmen ist dieser Zusammenhang übrigens gar nicht so einfach: Es gibt keine Häufung von Stürmen, aber eine Verstärkung. Ich habe mich dann viel intensiver in das Thema reingefuchst. Schließlich nehmen wir eine Doppelrolle ein und sind Opfer und Täter zugleich…

 

„Bezogen auf den Klimawandel stehen wir trotz aller schon spürbarer Veränderungen gerade erst am Anfang.”

 

Die Menschen werden eher durch heftigere Stürme und längere Trockenperioden wachgerüttelt als durch eine Erderwärmung von einem Grad in hundert Jahren.

Sven Plöger: Das ist wieder die Sache mit der Haptik. Der Klimawandel wird nicht durch eine Mittelwertveränderung über hundert Jahre durch Menschen wahrgenommen. Menschen nehmen etwas wahr, das sie selbst spüren können. Und das ist eben nun einmal Extremwetter. Das Extremwetter ist wiederum statistisch gesehen nicht so leicht zu bearbeiten, weil Extremwetter logischerweise selten ist. Wir hatten die extreme Dürre 2018 und die verschiedenen Hitzewellen, die uns ungewöhnlich vorkamen.

Es gibt eine Zunahme von Waldbränden und Waldschäden. All diese Dinge sehen, fühlen und spüren wir. Bezogen auf den Klimawandel stehen wir trotz aller schon spürbarer Veränderungen gerade erst am Anfang. So ähnlich wie vor einem schweren Gewitter. Die Luft ist schwül, erste Blätter werden durch die Luft gewirbelt. Wir merken, da wird es gleich ein heftiges Unwetter geben.

 

Dann ist der Klimawandel also zum Teil für die Extremwetterlagen verantwortlich?

Sven Plöger: Genau mit dieser Frage beschäftigt sich die Attributionsforschung. Dabei berechnet man statistisch den Anteil, den der Klimawandel an Extremereignissen hat. An der Hitzewelle 2019 hatte der Klimawandel beispielsweise einen großen Anteil. Die Forschung sagt, das Auftreten dieser Hitzewelle war fünf- bis zehnmal wahrscheinlicher durch den Klimawandel als es ohne ihn gewesen wäre – der Faktor unterscheidet sich je nach Region. Insgesamt ist das auch erwartbar, denn wenn es im Mittel wärmer wird, dann muss extreme Hitze deutlich häufiger auftreten.

 

In Ihrem Buch gibt es auch einen Gastbeitrag, in dem es um „Klima, Krieg und Frieden“ geht. Dort heißt es, dass der Klimawandel auch den Frieden in der Welt bedroht und dass sich die Situation noch verschärfen könnte, wenn wir nichts tun…

Sven Plöger: Wenn wir nichts tun, könnte diese eindeutige Prognose wahr werden. Dann kann es zu Kriegen um Ressourcen und massenhaften Fluchtbewegungen kommen. Aber gerade, weil wir das genau wissen, aber ganz sicher niemand das will, dürfen wir niemals aufgeben, solange es eine theoretische Möglichkeit gibt, etwas zu korrigieren. Warum sollten wir nicht in der Lage sein, etwas zu korrigieren, wenn wir genau diesen Zustand doch selbst verursacht haben! Wir haben Chancen, das Problem in den Griff zu bekommen, das ist auch die klare Aussage der Klimaforschung. Dazu müssen wir aber mit aller Kraft gemeinsam bereit sein, die Dinge umsetzen, die wir uns auf der großen politischen Bühne längst in die Hand versprochen haben.

 

Vier Tipps zum klimafreundlichen Leben von Sven Plöger

Torf: „Rettet die Moore!“ fordert Plöger in seinem Buch. Daher rät er dazu Torf bei Gartenarbeiten zu vermeiden und stattdessen Kompost aus eigener Herstellung zu verwenden.

Shrimps: Die Meere haben den größten Anteil daran, CO2 zu senken – aber nur, wenn die marinen Ökosysteme gut funktionieren. Shrimps sind laut Plöger ein „klassischer Mangrovenkiller“. Wer dennoch nicht darauf verzichten will, sollte beim Einkauf auf Schutzsiegel achten.

Wald: Um die Wälder und damit auch das Klima zu retten, empfiehlt der Meteorologe, Papier sparsam zu verwenden und sich für Waldschutzprogramme zu engagieren – oder einfach mal einen Baum zu pflanzen.

Internet: Das Internet ist einer der größten Stromfresser überhaupt. Plöger rät das Konsumverhalten anzupassen – einige Stream-Anbieter bieten die Einstellung „Data Saver“ an. Ein Filmabend über „Kabel“ oder „Satellit“ ist deutlicher sparsamer im Stromverbrauch als den Film zu streamen.

 

Zur Person: Sven Plöger wurde er als „Bester Wettermoderator im Deutschen Fernsehen“ ausgezeichnet. Der Diplom-Meteorologe und Fernsehmoderator hält regelmäßig Vorträge über das Klima und das Wetter und hat inzwischen fünf Bücher darüber geschrieben. Sein neues Buch: „Zieht euch warm an, es wird heiß!“, sprang auf Anhieb auf Platz eins der Spiegel-Bestsellerliste und hält sich seit Wochen dort. Plöger zeigt in diesem Buch, wo wir stehen, wie die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge funktionieren und was wir tun können, um klimafreundlicher zu werden.

Wer den Klimaexperten einmal live erleben will, hat am 17. November Gelegenheit dazu: Dann kommt er mit seiner Live-Show „Alles Klima, oder was?! Den Klimawandel endlich verstehen in die Stadthalle Balingen.

 

Beitragsbild Sven Plöger: Fotograf Sebastian Knoth

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